Woher Nell kam und was sie erlebt hat, bevor sie ins Canile kam, wissen wir nicht. Sie war seit ca.
2004 im Tierheim und hatte schon vorher einige sehr langsam wachsende Tumore, die
sich im Laufe der Zeit kaum verändert haben. Auch ihr blindes Auge brachte sie schon mit.
Nell muss einmal ein wunderschöner Setter gewesen sein. Ihr Fell war - trotz mangelnder Pflege - immer
noch lang, dicht und seidig und manchmal kam ein fröhlicher Schimmer in ihre Augen, der die
Lebhaftigkeit ihrer jungen Jahre erahnen ließ. Im Tierheim war von Nell nur noch ihre Sanftmut und eine
scheue Zärtlichkeit übrig, mit der sie Streicheleinheiten erwidert hat. Meist lag sie jedoch
zurückgezogen, still und
ein wenig traurig in einer der Hundehütten und kümmerte sich nicht
mehr um den Trubel, der um sie herum tobt. Dass sich ihre Situation noch einmal ändern könnte, daran
glaubte die Hündin schon lange nicht mehr. Nur ganz selten, wenn sie merkte, dass da jemand nur für
sie im Zwinger war, kam ihre alte Fröhlichkeit wieder hervor. Dann konnte sie mit einem Mal laufen und
sich freuen und wirkte um Jahre jünger.
Wie gut Barbara das getroffen hatte, konnte sie leider erst im Februar 2008 selbst herausfinden.
Denn Barbara wollte diesen Hund nicht einfach im Tierheim seinem Schicksal überlassen und so arbeitete
sie lange dafür, für Nell eine Stelle in Deutschland zu finden und schrieb diesen Aufruf:
Kein Hund hat es verdient, einsam auf harten, kalten Holzplanken hinter Gitterstäben zu sterben, aber
besonders nicht Nell. Ob wir das verhindern können, liegt auch mit an Ihnen. Dafür müssen Sie
sie nicht einmal selbst bei sich aufnehmen. Sie können Nells Situation schon mit einer winzigen Patenschaft
erheblich verbessern, 5,- EUR monatlich reichen.
Denn wenn Nells Lebensunterhalt über Patenschaften gesichert ist, können wir sie nach Deutschland
in eine "die in love-Pflegestelle" holen, wo sie für die letzte Zeit ihres Lebens geliebt und
umsorgt leben kann. Vielleicht hat sie nur noch wenige Monate, vielleicht sogar noch ein paar Jahre, keiner
weiß es. Aber Sie haben es in der Hand, wie sie diese Zeit verbringen kann.
Helfen Sie Nell! Helfen Sie helfen!
20. Oktober 2007:
Dann hatte das Hochwasser Nell und ihre Gehegegenossen stark getroffen, ihr Zwinger lag fast am tiefsten Punkt des
Hundeheims. Da in dem Gehege nur alte Hunde leben, hätten sie es wohl nicht auf die Hütten geschafft
und das Wasser war an der Stelle kniehoch, hoch genug für Nell, um zu ertrinken. Sie wurden glücklicherweise
rechtzeitig herausgeholt. Einige Wochen später konnte sie und ihre Freunde wieder in ihr altes 'Heim'
zurückkehren, auch wenn dort noch knöcheltief der dann getrocknete Schlamm lag.
Ihr Zustand war ansonsten soweit wieder stabil, aber unsere Tierärztin gab sie nicht für einen normalen
Transport frei, weil sie meinte, dass Nell das nicht mehr überstehen würde. Am liebsten wollte sie die
Hündin gar nicht mehr ausreisen lassen.
Wir planten aber trotzdem einen Transport nur für die Hündin allein, abgestimmt auf ihre Bedürfnisse und
mit so wenig Stress wie möglich. Aber da wir durch das Hochwasser auch noch einen behördlichen Ausreisestopp
bis Mitte November hatten, verzögerte sich alles noch weiter.
10. Februar 2008: Endlich!!!
Endlich darf Nell kommen. Nachdem es ihr lange Zeit so schlecht ging, dass unsere Tierärztin sie nicht reisen
lassen wollte und es zwischendurch sogar hieß, sie liege im Sterben, hat sie sich in den letzten drei Wochen etwas
berappelt und es geht ihr halbwegs gut.
Das ist die Chance, auf die wir gewartet haben: Am 17. Februar 2008 soll Nell nun endlich nach Deutschland in eine Endpflegestelle
kommen. Ihre Papiere sind fertig, das Auto steht startklar – nun muss sie nur noch den Willen haben durchzuhalten, damit sie
gesund und munter ankommt. In Italien wird sie derzeit wie ein Augapfel gehütet, damit nichts mehr dazwischen kommen kann.
Wir hoffen einfach nur, dass alles klappt. Und wir werden anschließend natürlich berichten, wie es ihr geht.
Vielen Dank noch mal an alle Paten, die ihr eine letzte Zeit in Geborgenheit und Wärme ermöglichen!
18. Februar 2008 - Nell ist in Deutschland!
Nell hat den Transport souverän und ohne Probleme überstanden. Sie hat sich nicht aufgeregt, ist von Anfang an
gut an der Leine gelaufen, wenn sie zwischendurch raus konnte und hat während der Fahrt geschlafen wie ein kleines Kind.
Im neuen Zuhause angekommen hat sie freundlich alle Hunde begrüßt (und ich könnte schwören, sie und
Zena - ihre alte Tierheimkollegin - haben sich wieder erkannt), war dann aber etwas orientierungslos im Haus. Man merkt,
dass sie keine Häuser kennt. Das weiche Bett findet sie aber klasse, nur dass es für sie ist, geht noch nicht
in ihren Kopf. Manchmal steht sie ein wenig verloren im Raum und guckt, als ob sie nicht wüsste, was das alles soll.
Aber das wird sich geben.
Verblüffend ist ihre Veränderung, sobald Nell nach draußen kommt. Sie erforscht alles, hat keine Angst vor
den Pferden oder anderen Tieren und findet es schön, sich durchs Leben zu schnuppern.
Das Highlight am ersten Morgen war der Spaziergang mit allen Hunden rund um den Teich. Da kam mit einem mal eine völlig
neue, junge Nell zum Vorschein. Sie fing an zu traben, dann sogar zu galoppieren, ist wie eine Wilde in das Weidengestrüpp
am Teich gelaufen und hat mit Inbrunst alles erkundet. Vor Wasser hat sie überhaupt keine Angst, sie ist ins kühle
Nass und auch sofort auf das tauende Eis gelaufen, sichtlich alles genießend. Der Kopf war mit einem Mal oben, die
Rute auch, der ganze Hund strahlte Begeisterung und Spannung aus - das ist ihr Leben (gewesen), das merkt man sofort.
Und sie hat eine Vorliebe für Katzenfutter entdeckt, zumindest eine Abwechslung zu getrocknetem Pansen und Mozzarella,
dem Einzigen, was sie ansonsten gern frisst. Aber daran werden wir in nächster Zeit arbeiten. Es gibt ja noch mehr leckere
Dinge ...
26. Februar 2008: Heute Morgen ist Nell gegangen
Sie hatte noch 8 Tage, in denen sie glücklich war. Nur 8 Tage, um sie für all die Jahre zu entschädigen, die
sie im Tierheim auf ein neues Glück warten musste. Ich hatte ihr so viel mehr Zeit gewünscht, um wieder gut zu machen,
was Menschen ihr angetan hatten.
In diesen 8 Tagen hat Nell uns unendlich viel gegeben. Sie hatte die Fahrt von Italien nach Deutschland völlig entspannt und
gelassen überstanden. Schon beim ersten Stopp in Deutschland lief sie an der Leine mit, als hätte sie nie etwas anderes
getan, glücklich schnuppernd, interessiert, jeden Geruch auskostend. Augen und Ohren haben ihr den Dienst schon lange versagt,
aber die Nase hat ihr alle Informationen geliefert, die sie sich wünschte. Und sie hat alle in sich hinein gesogen, als
wäre es das erste Mal.
Die einen nennen es Sofa, für uns war es ein Setter-Etagenbett
Zuhause angekommen fügte sie sich in unseren Haushalt, als hätte sie nur darauf gewartet, dort anzukommen. Die Hunde
verstanden sich prächtig und ich bin sicher, sie und Zena erkannten sich wieder: Die Begrüßung fiel innig aus.
Sogar die Katzen fand Nell klasse, sie durften sich zu ihr ins Hundebett kuscheln und wurden geleckt.
In einem Haus zu sein, war ihr anfangs etwas fremd, das merkte man. Aber sie genoss vom ersten Augenblick an ihr eigenes weiches
Bett (sie schlief so tief und fest, dass man sie mitsamt Bett wegtragen konnte), die streichelnden Hände, die Wärme,
die Nähe und Geborgenheit. Freundlich wedelnd wurde jeder in ihrer Umgebung begrüßt, interessiert nahm sie an
allem teil. Sie mochte jeden und jeder, der kam, mochte Nell. Sie hatte binnen weniger Stunden einen Platz in unseren Herzen, als
ob sie schon immer bei uns gewesen wäre.
Nells absolutes Highlight waren unsere Spaziergänge. Gras unter den Füßen zu spüren, im Schilf zu stöbern,
durchs Wasser des Teiches zu waten – das war ihre Welt gewesen und sie tauchte mit Inbrunst wieder in all die alten Erinnerungen
ein. Aus dem langsam latschenden, alten Schatz wurde mit einem mal wieder ein junger Hund, mit erhobenem Kopf, aufgerichteter Rute,
blinkendem Auge und hellwachem Ausdruck im Gesicht. Erst fing sie an zu traben, aber nicht langsam, nein sie federte in großen
schnellen, ausgreifenden Sprüngen über die Wiese, so dass kein Außenstehender ihr Alter gemerkt hätte.
Nach drei Tagen versuchte sie sich sogar wieder im Galopp und sie war so schnell, dass von uns Menschen niemand sie einholen konnte.
Sie genoss die Bewegung, liebte es, den Wind um die Ohren brausen zu spüren und irgendwann fing sie sogar an, mit kleinen
Bocksprüngen die anderen Hunde zum Spiel aufzufordern. Nell konnte zu unser aller Erstaunen noch so hoch springen, wie sie
selbst groß war. Sie war glücklich und brachte das Glück auch zu allen, die ihr zusahen.
Vom ersten Tag an roch Nell nicht, wie andere Hunde, nach Tierheim. Wir brauchten sie nicht waschen - sie hatte einen für ihr
Alter sehr angenehmen Körpergeruch und wir schnupperten gern an ihr. Nachdem sie gebürstet und die Kletten aus ihrem
Fell geschnitten waren, fing sie wieder an, zu glänzen und seidig auszusehen, wie es sich für einen Setter gehört.
Immer mehr konnte man die wunderschöne Hündin sehen, die sie in ihrer Jugend gewesen war. Und sie fing langsam an,
wieder zuzunehmen.
Fressen war ihr Problem. Sie mochte fast nichts mehr außer Mozzarella (den Anna mir glücklicherweise für die ersten
Tage schon mitgegeben hatte). Wir konnten Nell auch zu Hüttenkäse, gelbem Käse, Joghurt und ein klein wenig
Katzenfutter überreden, aber nicht einmal gekochtes Hühnchen oder Pansen (außer getrocknet als Snack) halfen, ihren
mangelnden Appetit anzuregen. Na ja, ein klein wenig Pferdeappel draußen im Auslauf war zeitweilig ganz ok (wir haben dezent
zur Seite gesehen und Zena hat neidisch geguckt, weil es ihr verboten ist, die Pferdeäppel zu naschen). Und das Astronautenfutter
der Tierärztin fand dann auch Nells Zuspruch. Die Rippen rundeten sich nach und nach, immerhin 500g hat sie in der einen Woche
zugelegt, obwohl mir die Portionen immer winzig erschienen, die sie fraß. Wenn es das Einzige gewesen wäre, was sie gewollt
hätte, dann hätte ich sogar Kaviar in sie hinein gefüttert.
Wir hatten noch so viel gemeinsam vor, Nell, Zena, Rina-Püppi, Biene und ich. Wir wollten die ganze Welt zusammen neu erobern,
am Strand spazieren gehen, durch den Wald laufen, Wild erschnuppern, Matsch, Felsen und Sand unter den Pfoten ertasten, Regen und
Sonne auf dem Fell spüren. Wir wollten gemeinsam auf der Terrasse liegen und uns braten lassen, die Nase in die salzige Brise der
Ostsee halten, Enten aufstöbern und Hasenfährten folgen. Wir wollten Nell noch einmal alles ermöglichen, was ihr Freude
macht. Wir wussten, dass ihr nicht mehr viele Jahre bleiben würden, aber wir dachten, wir hätten noch genug Zeit, sie ein
wenig für die verlorenen Jahre zu entschädigen.
Heute Nacht wurden wir eines Besseren belehrt. Seit Nell da war, schliefen wir alle im Wohnzimmer auf und vor dem Sofa, weil sie die
Treppen nicht mehr steigen konnte. Heute Nacht wachte ich davon auf, dass sie unruhig wurde und aufstand. Sie fing an, im Haus herum
zu laufen und viel zu saufen. Dann versuchte sie, zu erbrechen. Ihr Magen war dick und ich packte sie sofort ins Auto und brachte sie
zum nächsten Tierarzt. Aber der konnte meine Befürchtung nur bestätigen: Magenandrehung. Noch nicht ganz herumgedreht,
aber für einen Hund in Nells Alter eine Katastrophe. Sie wurde in Narkose gelegt und mit starken Medikamenten gegen Schmerzen
und die Krämpfe behandelt – eine OP hätte ihr Herz nicht mehr ausgehalten. Eine winzige Chance war da, dass der Magen sich
von allein wieder entspannen und zurückdrehen würde. Ich habe neben ihr gesessen und sie die ganze Zeit leise gestreichelt.
Gegen Morgen, als die Narkose nachließ, war klar, dass sie es nicht schaffen würde.
Um 8:30 Uhr haben wir Nell erlöst. Sie sollte nicht leiden. Wir alle, die sie lieben gelernt hatten, Familie, Nachbarn, Katzen
und Hunde, haben in Ruhe von ihr Abschied genommen und sie dann unter einer riesigen Eiche auf dem Grundstück begraben. Neben
Henry und Miesch Meier, sie gehört ja zur Familie.
Nell hatte nur 8 schöne Tage bei uns. Keinen davon möchte ich missen. Und keiner von uns wird sie je vergessen.
Leb wohl, kleine Nell!