Fjella gehört zu den Ärmsten unter den Armen im Canile. Nicht, weil es ihr dort besonders
schlecht geht. Nicht, weil sie ein besonders schreckliches Schicksal hat. Das ist es nicht, was ihr Leben
so traurig macht. Fjella lebt ein ruhiges, unbehelligtes Leben zwischen anderen Hunden, wird medizinisch
versorgt und bekommt gut zu Fressen. Trotzdem ist ihre Lage besonders traurig.
Denn Fjella ist ein unauffälliger Mix, eine Hündin, die nie auf sich aufmerksam gemacht hat,
einer der Hunde, die in einem hinteren Gehege sitzen, wo nie jemand hinkommt, dazu auch noch eine mit
einem Handicap. Fjellas Chancen, aus Canalba jemals heraus zu kommen oder auch nur eine streichelnde Hand
zu finden, sind gleich Null. Und dabei ist sie eine liebe und schmusige Hündin und hätte es so
sehr verdient.
Aber fangen wir von vorn an. Fjella ist mindestens 10 Jahre alt. Mindestens, weil niemand mehr weiß,
wann sie gekommen ist. Sie ist lange da, das wissen alle. Aber sind es 8 Jahre oder 9 oder 10? Und wie
alt war sie, als sie kam? Vielleicht 1 oder 2 oder ...? Wen auch immer wir fragen, keiner kann sich mehr
daran erinnern. Und damals wurden noch keine Aufzeichnungen gemacht. Fjella gehört zum Inventar,
alles andere an Wissen über sie ist verloren gegangen. Sie hat keine Geschichte, keine Vergangenheit,
keine Gegenwart und wohl auch keine Zukunft.
Und sie hat dazu auch noch ein Handicap: Eine ihrer Vorderpfoten ist leicht verkrüppelt. Was es
genau ist, das weiß auch keiner mehr. Sie wurde vor langer Zeit mal untersucht, aber was war es
noch, was der Tierarzt damals sagte? Sie hat keine Schmerzen und kommt mit ihrer Behinderung seit
langen Jahren gut zurecht, damit ist so ein Fall in einem Tierheim erledigt, das jeden Tag neue
schreckliche Hundeschicksale sieht.
Sie hat zwischen all den Schäferhund-Mixen ein unauffälliges Aussehen. Sie verträgt sich
mit jedem Hund und hat nie Ärger gemacht. Sie ist sanftmütig und hat sich nie aufgedrängt.
Sie bleibt im Hintergrund, wenn eine der Pflegerinnen kommt und sich alle um sie drängen. Nicht,
weil sie nicht gern gestreichelt wird, aber der Trubel ist ihr dann zu doll, da macht sich die
Behinderung dann doch bemerkbar. Sie ist nicht futterneidisch, sie stürzt nicht vor, wenn das
Fressen kommt ... nichts in Fjellas Leben ist so beschaffen, dass irgendjemand je auf sie aufmerksam wird.
Vielleicht wäre trotzdem irgend jemand mal auf die Maus aufmerksam geworden, denn sie hat einen
so sanften und schmusigen Charakter, dass man sie nur lieb haben kann. Aber Fjella lebt dazu auch noch
in einem Gehege, das hinter einem anderen liegt. Das heißt, dass man erst durch eins durch muss,
bis man in ihres kommt. In diese hinteren Gehege verirren sich nur noch einmal am Tag die Pflegerinnen,
um sauber zu machen und Futter zu bringen. Und deren Zeit ist knapp: Kaum mal eine streichelnde Hand,
kaum ein liebes Wort, keinerlei Zuwendung. Hunde aus hinteren Gehegen haben keine Chance darauf, in den
Freilauf zu kommen, in der Nähe der Menschen zu sein, andere Hunde als ihre Gehegegenossen zu
treffen, etwas Abwechslung zu bekommen. Sie warten lebenslang.
Fjella hat so wenig Aufmerksamkeit erregt, dass sie bis vor kurzem noch nicht einmal einen Namen hatte.
Wir sind lange Jahre im Canile ein- und ausgegangen, ohne von ihrer Existenz auch nur etwas zu bemerken.
Dabei war sie die ganzen Jahre da und hat gewartet – und sei es auch nur auf eine streichelnde Hand.
Unser Versäumnis wollen wir jetzt ein klein wenig gut machen. Ob Fjella das Canile noch jemals
wird verlassen können, das liegt an Ihnen. Aber dass es draußen Menschen gibt, die ihr
zumindest mal ein kleines Paket schicken, um ihr ein wenig Freude zu bereiten, da sind wir sicher.
Wer macht den Anfang?
20. Juli 2008


Fjella war glücklich, das konnten wir schon sehen, als wir mit dem Geschenk zu ihr kamen. Sie lag
in ihrer Lieblingshütte, einem kleinen abgewrackten Holzhaus, das in einer ruhigen Ecke steht,
kam aber sofort auf uns zu, als sie das Paket erblickte. Und sie strahlte – was nun kam, kannte sie ja
mittlerweile schon und man konnte ihr die Vorfreude richtig ansehen!

Wie ein echter Profi schnupperte sie, bis sie den Eingang gefunden hatte und schubste den Deckel auf.
Berührungsängste kennt sie mittlerweile nicht mehr bei den Geschenken. Und dann folgte eine
ausgiebige Inspektion, bei der sie uns immer wieder aufforderte, die Sachen nach und nach herauszunehmen,
damit sie auch in die Tiefen des Pakets vordringen konnte. Angetan haben es ihr dann besonders die
getrockneten Naturleckerlies, von denen sie eine ziemliche Menge verschmauste, während sie
zwischendurch immer wieder neue Tüten erkundete. Irgendwann schaute sie uns an und bellte ein-zwei
Mal herausfordernd, als wolle sie sagen: Das habt ihr gut gemacht – ein Dank, der natürlich an die
Patin gehen muss und nicht an uns Überbringer!

Das schöne neue Hundekissen haben wir in ihre Hütte gelegt und sie nach einiger Zeit mit dem
neuen Spielzeug und einigen letzten Leckereien für diesen Tag in ihrem Gehege zurückgelassen
(es blieb genug übrig – sie hatte noch lange Tage immer wieder glückliche Augenblicke durch
dieses wunderschöne Patenpaket). Als wir später aus der Entfernung zu ihr herüber schauten,
schnorchelte sie satt und zufrieden in ihrer Hütte – bequem auf dem neuen Kissen.



Nachdem der größte Appetit gestillt war, entdeckte Fjella zwischen all den schönen
Sachen – unter anderem auch Spielzeug und ein Geschirr - einen großen Schinkenknochen, über
den sie regelrecht herfiel ... was für eine Köstlichkeit! Der Rest des Paketes interessierte sie
in Anbetracht dieser Herrlichkeit für die nächsten Stunden erstmal nicht mehr, wir nahmen die Sachen wieder
mit, damit sie in der nächsten Zeit noch etwas davon haben würde.

Neben der Freude, Fjellas Freude zu sehen, macht es besonders Spaß, die Veränderung bei der
Hündin zu beobachten. Von Geschenk zu Geschenk wird sie sicherer und man kann förmlich
beobachten, wie ihr Selbstbewusstsein wächst. Ihre Schüchternheit ist vollständig verflogen
und sie ist mittlerweile sogar bereit, 'ihre' Sachen gegen die anderen Hunde zu verteidigen. Etwas, was
noch vor kurzem undenkbar gewesen wäre. Fjellas Ausstrahlung verändert sich langsam aber sicher
und es kommt so etwas wie Würde zu ihrer liebenswerten Sanftheit hinzu.
An diesem Tag war das Paket von ihrer Patin Annelie an der Reihe und es traf vollständig Fjellas
Geschmack: Unter anderem fand sie eine riesengroße Tüte getrockneten Pansen darin und je
'stinkiger' diese Leckerlis sind, desto lieber sind sie ihr. Uns wurde von ihr dann auch sehr deutlich
gemacht, dass wir bitte SCHNELLSTENS genau diese Tüte öffnen mögen – sie konnte es kaum
erwarten und schleckte sich dauernd über das Maul. Und dann begann erstmal das ausgiebige,
genüssliche Kauen.
Auch Irene Götz hatte Fjella bei dem Oktober-Transport mit einem Geschenk bedacht und wie immer
hat sie sich sehr viel Mühe damit gegeben. Es war von allem etwas dabei: Leckerlis, Spielzeug,
Decken, eine Leine, ein schönes, dickes Polster ... Lotti persönlich übernahm diesmal
das Auspacken und hatte genauso viel Freude daran wie Fjella, die die ganze Zeit daneben stand und
gespannt guckte. Aber auch Piselino ließ nicht locker und musste erst mit einem Stück
trockenen Pansen 'abgefunden' werden, bevor er etwas widerwillig das Feld räumte (der weiß
ja inzwischen auch, was in so einem Paket alles zum Knabbern drin sein kann ;-) ).
Dann kam endlich Fjella zum Zuge und es ist nicht ganz sicher, ob sie sich mehr über all die Dinge
freute, die aus dem Paket heraus purzelten, oder über eine Charlotte, die begeistert auf allen
Vieren über die Paletten kroch und Fjella die einzelnen Sachen vorlegte. Die Leine musste ausgiebig
beschnuppert und anschließend natürlich auch anprobiert werden. Dann war aber erstmal ein
kleiner Snack fällig und wie immer entschied sich Fjella für ein wunderbar duftendes Stück
Pansen – sie liebt die natürlichen Leckerlis.




Fjella durfte das Canile endlich verlassen und verbringt nun ihren Lebensabend in
Düsseldorf.
Wir freuen uns unendlich für diese sanfte, freundliche Hündin!
Vermittelt am 18. Mai 2009