Ein heißer und anstrengender Tag lag hinter Charlotte, es war nachmittags und sie wollte gerade vom Canile weg fahren,
als sie aus dem Augenwinkel etwas Weißes hinter sich sah: am Zaun des Tierheims hing ein Zettel. Sie hielt an, um ihn zu
lesen und fand darauf einen dicken schwarzen Pfeil, der in Richtung der Ecke des Tierheimzauns zeigte. Darunter stand kleiner:
'Der Hund, der links angebunden ist, ist taub.' Das war's.
Nichts Gutes ahnend ging sie um die angezeigte Ecke und fand dort … einen Kampfhund. Angebunden, schneeweiß und
glücklicherweise relativ teilnahmslos. Das allerdings nur, weil er von all dem Trubel um sich herum tatsächlich
nichts hören konnte - wie sich später heraus stellte, war er vermutlich von Geburt an taub. Trotzdem war Lotti die
Situation nicht besonders geheuer und weil niemand mehr in der Nähe war, der ihr helfen konnte, schleppte sie eine
große Hundehütte zu dem ungebetenen Gast, brachte ihm Wasser und Futter und ließ ihn halbwegs beruhigt
für die Nacht erstmal dort, wo er war.
Am nächsten Tag holten sie ihn dann mit vereinten Kräften ins Tierheim, anfangs sehr vorsichtig mit ihm umgehend,
aber es stellte sich schnell heraus, dass Pedro eher ein unbedarfter Hund ist und freundlich auf Menschen zugeht. Seine
Taubheit hatte durchaus ihre Vorteile in der neuen Situation, der ganze Trubel um ihn herum störte ihn nicht und er
freute sich einfach über die Aufmerksamkeiten seiner neuen 'Freundinnen'.
Er war noch nicht sehr alt, damals, dafür aber um so kräftiger und voll Tatendrang. Gitter und Zäune eines
Hundeheims fand er eher unspannend, die große Welt reizte ihn dagegen sehr. Und schon bald zeigte er, was in ihm steckt
und überkletterte spielend 2 m hohe Zäune oder ging auf den Dächern der Gehege spazieren – nicht immer zur
Zufriedenheit der unter ihm schimpfenden Artgenossen. Und sehr zum Unbehagen seiner Pflegerinnen – ein sich frei im Tierheim
bewegender Pitbull ist nicht der Traum der Verantwortlichen. Glücklicherweise passierte dabei nie etwas, denn Pedro war
ein gutmütiger Rüde.
Aber dass er aus solch luftigen Höhen genauso bedenkenlos herunter sprang, wie er hinauf kletterte, kostete ihn im Laufe
der Zeit trotzdem seine Gesundheit: die Rückenwirbel gingen kaputt und irgendwann konnte er nicht mehr laufen. Er wurde
in einer schwierigen und aufwändigen OP wieder auf die Füße gestellt, aber seitdem glich Pedros Hinterteil
einem Wackelpudding: es schwankte beim Gehen immer etwas unkontrolliert hin und her. Ihn schien es genauso wenig zu
stören wie seine Taubheit und seine Freude an den schönen Seiten des Lebens hat es nicht gemindert.
Pedro wäre in Ehren ergraut, wenn ihm sein weißer Pelz die Möglichkeit dazu gelassen hätte, aber er
schimmerte bis zum letzten Tag so makellos wie vor Jahr und Tag und machte damit dem weißen Riesen sowohl in Sachen
Reinheit als auch Alter Konkurrenz. Sein Interesse an der Umwelt ist allerdings im Laufe der Jahre stark zurück gegangen
und am Ende ging es ihm wie so vielen seiner menschlich-männlichen Pendants: lediglich sein Wohlwollen für das
weibliche Geschlecht hat den Zahn der Zeit überdauert. Wenn er gerade mal keine seiner Holden beglücken konnte,
wackelte er gutmütig und ohne Ziel durch sein Gehege oder genoss die Sonnenbäder, die ihm das Leben noch geschenkt
hat. Und da er bis zum letzten Tag genauso wenig von dem Gebell um sich herum mit bekam wie in seiner Jugend, störte ihn
das Dasein im Canile weit weniger, als viele seiner hörenden Kollegen.
Pedro hat uns verlassen. Im November konnte er sich auf einmal kaum mehr bewegen, sein Rückgrat versagte seinen Dienst,
die Hinterbeine schleppte er hinterher. Sein Zustand verschlechterte sich mit einbrechendem Winter und Untersuchungen ergaben,
dass er eine erneute Operation nicht mehr überstehen würde. Anfang Dezember war es so weit, Pedro nahm Abschied von
dieser Welt und wir ließen ihn gehen - hoffentlich in eine bessere Welt.
Pedro musste am 2. Dezember 2008 von unserer Tierärztin eingeschläfert werden.