Als Angelino auf der Strasse gefunden wurde, war er ein Bild des Jammers. Sein Fell hing ihm völlig verfilzt und in dicken
Knoten um den Körper, er war schlammgrau vor Dreck und konnte so gut wie nichts mehr aus seinen Augen sehen, weil alles
zugewuchert war. Aus dem Mäulchen stank er faulig - am schlimmsten aber war sein seelischer Zustand. Der kleine Mann war
komplett verstört und so hilfsbedürftig, dass er sich in die Arme seiner Retter kuschelte, als ob er am Ertrinken
wäre.
Das Häufchen Elend wurde erst einmal gebadet und geschoren, um etwas mehr über seinen wirklichen Zustand erfahren
zu können. Dabei kam unter dem Dreck ein zwar arg heruntergekommener aber ansonsten hübscher, schneeweißer
Zwergpudel zum Vorschein. Sein Befinden war desolat. Die Haut unter dem Wollfilz zeigte sich komplett wund und blutig, alles
war entzündet und in Teilen vereitert. Einer seiner Reißzähne hatte sich in die Nasenhöhle durchgebohrt
und bereitete ihm große Schmerzen beim Fressen. Seine Augen waren milchig trübe und sein Gesamtzustand einfach
katastrophal. Er musste schon eine ganze Weile ohne die Obhut seiner Menschen gelebt haben, das war mehr als deutlich.
Der Gang zum Tierarzt war der nächste Schritt. Dort wurde er gründlich untersucht und behandelt. Seine Zähne
wurden als erstes saniert, damit er wieder fressen konnte. Der Reißzahn wurde gezogen und nach Säuberung des
restlichen Mäulchens war klar, dass Angelino - wie ihn seine Retter genannt haben - nur noch zwei hintere Zähne
bleiben, die unversehrt sind. Durch die fehlenden vorderen Zähne hängt ihm die Zunge manchmal ein wenig seitlich aus
dem Maul, was ihm allerdings einen eher liebenswerten Gesichtsausdruck verleiht.
Die Diagnose seiner Augen stimmte seine Pfleger nicht föhlicher. Zwar kann Angelino noch ganz gut sehen, aber am linken
Auge hat er eine Keratokonjunktivitis sicca (trockene Bindehautentzündung mit unzureichender Benetzung durch
Tränenflüssigkeit), so dass er für den Rest seines Lebens dort mit Augentropfen versorgt werden muss. Das rechte
Auge weist einen beginnenden grauen Star auf, der allerdings operativ behandelt werden kann, sollte er irgendwann zu schlecht
sehen können. Die weitere Ultraschalluntersuchung ergab verblüffenderweise, dass Angelino gesundheitlich ansonsten
in einem sehr guten Allgemeinzustand ist und zur Zeit keine weiteren erkennbaren Erkrankungen aufweist. Eine CD mit den
genauen Diagnosen hat Angelino übrigens im Gepäck und bringt sie in sein neues Zuhause mit.
Sein Alter konnte nicht genau eingegrenzt werden. Zwar lassen seine Zähne und die Augen darauf schließen, dass er
eher zum älteren Semester gehört, deshalb hat er jetzt das Geburtsjahr 2000 zugeteilt bekommen. Aber es ist auch
gut möglich, dass er sich als jünger heraus stellt, wenn er sich erstmal erholt hat und man seinen eigentlichen
Zustand besser beurteilen kann.
Mittlerweile hat Angelino seinen Appetit und vor allem auch seine Lebensfreude wieder gefunden. Sein Fell wächst langsam
nach und weiß kringeln sich nun die Löckchen über seiner abheilenden Haut. Eigentlich braucht der kleine Charmeur
nur noch ruhige Menschen, die nichts lieber möchten, als ihn auf den Arm zu nehmen und mit ihm zu kuscheln - das sind
nämlich seine Lieblingsbeschäftigungen.
Deshalb sucht er jetzt dringend nach einem neuen Zuhause, in dem er seine Menschen dankbar mit seiner unglaublichen
Zärtlichkeit verwöhnen kann. Er ist ein ausgesprochen liebens- und beschützenswertes Kerlchen, verschmust und
sehr anhänglich, verträglich mit allen anderen Hunden und auch mit Katzen. Zwar ist Angelino zur Zeit noch nicht sehr
gut abrufbar, aber er entfernt sich nie weit von seinen Bezugspersonen und sucht deutlich die Nähe der Menschen. Ob er
einfach nur nie erzogen wurde oder vielleicht doch schlecht hört, ist noch nicht geklärt. Sogar Auto fährt
er anstandslos, aber er bevorzugt dafür seine Transportbox, in der er dann ruhig liegt. Er möchte einfach gern
in der Nähe der Leute sein.
Angelino hat eine liebe Familie in Österreich gefunden.
Am 7. Mai 2011 hat er sich
auf die lange Reise in die Nähe von Graz gemacht.