
Baviera im Februar 2011 in Italien
- ein Häufchen Elend
Baviera ist am 23. April 2011, nach einem ganzen Leben hinter Gittern, endlich
in ihrem ersten eigenen Zuhause angekommen.
26. April 2011: Bavieras Tierarztcheck
Hallo Ihr Lieben!
Heute war Baviera also beim großen Tierarztcheck.
Ich will ganz ehrlich zu Euch sein - die Tierärztin war sehr nett, aber ich
sah ihr an, dass sie ziemlich geschockt war, in welchem Zustand unsere kleine
Motte ist. Aber immerhin hat sie gleich erkannt, dass sie noch absolut
Lebenswillen hat. Sie hat auf Ultraschall verzichtet,
nachdem sie sie abgetastet und abgehört hat, weil sie meinte, da würde man nur
sehen, was man eh schon tasten und hören kann: Nieren und Herz sind sehr schlecht.
Aber sie hat ihr eine homöopthische Spritze gegeben und wir geben die nun auch alle
zwei Tage weiter. Außerdem bekommt sie noch
etwas ins Futter, was die Abwehr stärkt und die Nieren entlastet. Außerdem ein
schulmedizinisches Herzpräparat, denn das ist absolut unumgänglich, dem
Herzgeräusch nach zu urteilen. Am Freitag telefonieren wir wieder miteinander, dann
sehen wir, ob es ein anderes Medikament sein muss oder ob sie damit schon fitter
geworden ist.
Der Zahnstein war der Hammer! Sie meinte, der müßte eigentlich unter Narkose
entfernt werden, aber das würde sie nicht überleben. Also nahm sie die große
Abknipszange und konnte ganze Stücke vom Zahnstein manuell entfernen und die Maus
hat ganz brav stillgehalten. Zwei große abgesprengte Stücke habe ich behalten und
Michaela gezeigt, die fast in Ohnmacht gefallen ist - sowas hatte sie noch nicht
gesehen. Aber die Tierärztin war ganz erstaunt und erfreut, dass unter dem
Zahnstein keine größeren Probleme waren bis auf eine kleine entzündetete Stelle am
Zahnfleisch. Schmerzen hat Baviera also keine, nur mit dem
Hollywood-Strahlemann-Gebiss, das wird nichts mehr...
Wir versuchen nun, soviel hochwertiges Frischfutter, wie möglich ist, in sie
hineinzubekommen. Leider frisst sie nie viel, sie
hört immer von allein wieder auf.
Für morgen habe ich beim Metzger ein frisches Huhn bestellt, davon bekommt sie die
fette Haut, das Fleisch und die Knorpelgelenke. Die restliche Meute darf sich um den
Rest balgen. ;o) Außerdem mischen wir Schweineschmalz unters Essen, damit sie nicht
ganz vom Fleisch fällt. Wenigstens trinkt sie ordentlich!
Als ich ihr sagte, dass wir mit unseren Hunden ausgemacht haben, dass Sterben
frühestens ein Jahr nach Adoption erlaubt ist, da hat sie etwas gequält gelächelt
und gemeint, das sei aber bei Baviera auch das höchste der Gefühle... Nun, wir mögen
den Spruch "Totgesagte leben länger" und so hoffen wir einfach mal,
dass unsere kleine Motte, die so lieb und süß und bei aller Magerkeit
wunderschön ist, noch eine
lange Zeit bei uns verbringen kann. Neugierig ist sie ja schon, aber halt auch recht
schwach. Sie liebt es, auf dem Hundeplatz mit herum zu eiern und wenn sie nicht mehr
kann, sich in das Körbchen zu legen und die Meute zu beobachten oder eine Runde zu
pennen. Dann steht sie wieder auf, pieselt eine Riesenpfütze und latscht wieder
los.
Unsere Langnasen-Prinzessin scheint sich sehr wohl bei uns zu fühlen und auch wenn
wir wahrscheinlich keine Jahre mehr miteinander verbringen werden - sie gehörte vom
ersten Augenblick des Wiedersehens auf dem Hundeplatz zu unserer Familie. Wir
bereuen auf keinen Fall, sie adoptiert zu haben. Wir bereuen nur, dass wir sie nicht
schon damals geholt haben, als ich sie in Italien kennengelernt habe! Acht
Wochen vertan! Wir genießen jeden Tag mit ihr, sie ist so eine liebe Seele.
So, das war's für heute, das Bettchen ruft schon ganz laut!
Lieben Gruß an Euch alle von
Franziska, Michaela und Co
10. Mai 2011: Nachruf auf Baviera
12 Tage. Das war die Zeit im Leben dieser wunderbaren Hündin, die sie
wirklich genießen durfte.
Mindestens 10 Jahre mußte sie hinter Tierheimgittern verbringen, in Italien.
Und was das heißt, das wissen viele von Ihnen...
Ich lernte Baviera kennen, als ich Ende Februar 2011 Luzy in Italien abholte.
Sie war damals schon eine alte, armselige, ungepflegte Hundeseele, die sich nur
nach ein paar Streicheleinheiten sehnte. Nieren- und herzkrank hatte sie nicht
mehr viel Aussicht auf schöne Tage in ihrem Leben.
Warum habe ich nur so lange gezögert, sie auch noch zu uns zu holen?
Gleich mitnehmen wäre nicht gegangen, da sind die bürokratischen Hürden in
Italien noch hundertmal höher als hier in Deutschland. Aber hätte ich doch gleich
nach meiner Rückkehr alles veranlaßt, sie zu holen! Warum habe ich nur so lange
gezögert? Das ist das Einzige, was ich im Zusammenhang mit der Adoption von
Baviera wirklich aus tiefstem Herzen bereue. Als ich dann hörte, dass es
Baviera schlechter ging, da war klar: Nun soll sie doch kommen, sie wird schon
irgendwie hier hineinpassen.
Sie kam am 23. April 2011 zu uns, mit dem nächstmöglichen Transport
von adopTiere e.V. Ihr Anblick schockierte uns, denn sie war in der
Zwischenzeit seit unserer ersten Begegnung zu einem elenden, schwachen
Häufchen Haut und Knochen abgemagert, konnte kaum laufen. Aber sie kämpfte,
sie wollte leben, das Leben fing für sie ja nun überhaupt erst an. So schwach
wie sie war, aber im Wald wackelte sie gern über den Weg und sog die guten
Gerüche in sich auf. Auf dem Hundeplatz schnupperte sie alles ab und wenn sie
nicht mehr konnte, dann legte sie sich ins Körbchen, ließ sich von uns muckelig
zudecken und schaute sich das Treiben gemütlich im Liegen an. Autofahren war
ihre Leidenschaft, sie wollte immer gleich hineingehoben werden, zum selber
Einsteigen war sie ja viel zu schwach. Wir hofften, sie würde von Tag zu Tag
stärker werden und uns noch eine ganze Weile begleiten...
Wir päppelten sie, kämmten ihr verfilztes Fell und gaben ihr ihre Würde und
bei aller Magerheit ihre Schönheit zurück. Sie hatte wenig Appetit, also ließen
wir uns immer wieder Neues einfallen, was ihr schmecken und gleichzeitig guttun
könnte. Hühnchen aus der Dose, sogar gekochter Schweinebauch (alles mit der
TA abgesprochen), Grillhähnchen. Es gab Hoffnung, auch der Durchfall verging,
wir freuten uns über jeden noch so kleinen Erfolg.
Irgendwann mochte sie dann nichts mehr kauen und es gab Nahrung aus der Spritze.
Schließlich mochte sie auch das nicht mehr und wir gaben ihr nur noch zu
trinken. Wir wußten - sie bereitet sich auf ihre Heimreise vor, es war ihr
anzusehen, und wir mußten es auch akzeptieren, dass wir sie verlieren würden.
Es war kein Todeskampf, es war ein friedliches Verlassen der Kräfte.
Aber das schlimmste für uns war die Entscheidung: Kann sie allein gehen oder
müssen wir ihr mit dem Tierarzt helfen?
Am Morgen des 5. Mai legte sich sich auf ihrem Lieblingsplatz in der
Küche auf einmal anders herum hin, mit dem Gesicht zum Fenster - zum Himmel.
Und als Michaela mal kurz nicht im Raum war (ich war noch auf meiner Nebenjobstelle
und damit nicht Zuhause) wagte ihre Seele den Absprung und verließ ihren Körper.
Sie starb ganz friedlich, nach 12 Tagen in Freiheit und Würde, gestärkt durch
unsere Liebe und Zuneigung und dem Wissen, dass sie am Ende doch noch eine
Familie gefunden hatte, die sie uneingeschränkt liebte.
Wir trauern nicht nur um Baviera, die traumhaft schöne
Englisch-Setter-Mischlingsdame. Wir trauern auch um alle nicht erlebten
Spaziergänge mit ihr. Um jedes nicht mehr erschnupperte Wild in ihrer hübschen
Nase. Um jede Streicheleinheit, die wir ihr nicht mehr geben konnten. Um jede
leckere Mahlzeit, die sie nicht mehr bekommen konnte. Um all die Millionen
verpaßten schönen Momente eines Hundelebens, weil Baviera, diese zarte Seele,
Jahr um Jahr in einem Tierheim vegetieren mußte, in dem sich außer der guten
Seele Patricia (vielen, vielen Dank für Deine aufopfernde Liebe zu den
vergessenen Seelen!) nie jemand für diese sanfte, zurückhaltende Hundedame
interessierte.
Leb wohl, unsere liebe kleine Baviera, wir vermissen Dich soo sehr.
Und Patricia läßt Dir sagen, dass Du immer einen ganz besonderen Platz
in ihrem Herzen einnehmen wirst. Du kannst den anderen dort im Regenbogenland
sagen:
"Es waren nur 12 Tage, die ich bei meinen Menschen leben konnte,
aber es war wenigstens LEBEN und LIEBE."