Das erste Mal sahen wir Cassandra im Mai 2009. Sie hatte die Jahre davor in einer der italienischen Hundehöllen verbracht
und war nur dank der Konfiszierung dieses schrecklichen Ortes frei gekommen. Damals lebte sie - wie viele ihrer Leidensgenossen -
immer noch in den Überresten der alten Gehege, in einem zusammengebastelten Verschlag, der einmal zu einem Schweinestall
gehört hatte.
Das dunkle, große Hundemädchen war anfangs unglaublich schüchtern, aber schnell merkten wir, dass sie trotz allem
sehr intensiv den Kontakt zu Menschen suchte. Sie konnte es kaum abwarten, bis sich jemand um sie kümmerte und freute sich
dann rührend, auch wenn ihre Annäherungen anfangs nur verhalten kamen. Aber der Schwanz ging wie verrückt als
wolle sie sagen: "Ich will ja zu euch kommen, ich traue mich nur noch nicht so richtig. Habt ein wenig Geduld, gleich
geht es besser!"
Damals war Cassandra unglaublich fett. Wie alle Setter liebt sie es, zu laufen und die Ohren dabei im Wind fliegen zu lassen.
Weil sie dazu keine Möglichkeit hatte - die Hunde kamen all die Jahre nie aus ihren Verschläge heraus und diese
waren teilweise so klein, dass sie sich kaum richtig darin bewegen konnten - kompensierte sie ihren Frust, ihre Angst vor den
Menschen und das ganze Elend ihres Lebens, indem sie in sich hinein stopfte, was immer ihr zwischen die Zähne kam. Aber
schon beim ersten Mal, als man ihr endlich die Möglichkeit gab, die Beine wieder richtig zu strecken, rannte sie fröhlich
und mit wahrer Begeisterung im strahlenden Gesichtchen durch den Freilauf. Sie ist bis heute außerordentlich agil, läuft
für ihr Leben gern und bewegt sich dabei elegant und schnell. Wen wundert es da, dass sie ohne weitere Diät im Laufe
der letzten zwei Jahre nahezu 15 kg abgenommen hat? Ok, zugegeben: sie ist immer noch ein wenig mollig. Aber mit der richtigen
Ernährung und ausdauernden Spaziergängen wird sich das schnell ändern lassen.
Trotz ihrer Freude am Laufen sind ihr Menschen unglaublich wichtig. Wann immer sie die Möglichkeit dazu hat, versucht sie,
sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Sie lässt die Pfleger nie aus den Augen und nutzt heute jede Gelegenheit, sich ein
kurzes Schmusen oder ein schnelles Streicheln über den Kopf abzuholen. Wenn sich tatsächlich mal jemand etwas mehr
Zeit für sie nehmen kann, schwankt ihr Verhalten zwischen überschäumender Begeisterung und vorsichtiger
Zurückhaltung - als hätte sie Angst, dass sie für ihre Freude bestraft wird, indem man sie wieder allein
lässt. Sie ist dabei rührend anhänglich ohne sich jemals aufzudrängen oder irgend etwas zu fordern. Immer
versucht sie, es den Menschen recht zu machen. Ihre Neugier hilft ihr auch über Situationen hinweg, die ihr anfangs noch
Angst machen und sie lernt immer noch schnell und gern, wenn man etwas von ihr fordert.
Mit anderen Hunden versteht Cassandra sich ausnahmslos. Egal ob Rüde oder Hündin, groß oder klein, wild oder
sanft, Welpe oder Senior: Cassandra geht lieb und bescheiden mit ihnen um und lässt sich eher in den Hintergrund schubsen,
als die anderen von ihrem Platz zu verdrängen. Niemals bellt sie, immer wartet sie geduldig, bis sie endlich an die Reihe
kommt.
Gesundheitlich ist das agile Hundemädchen noch in Topform. Sie lebt seit der Umsiedlung in das neue Tierheim in einer Gruppe
von älteren Hunden, die frei herumlaufen können und genießt es sichtlich, sich so viel bewegen zu dürfen
und nah bei den Menschen sein zu dürfen. Nun sind ihre alten Leidensgenossen aber mittlerweile alle vermittelt, nur Cassandra
wartet noch auf 'ihre' Menschen. Sie ist sichtlich bedrückt, seit ihre letzte Freundin gegangen ist und scheint den Spaß
am Leben ein wenig verloren zu haben. Geduldig und fast demütig wartet sie täglich auf die wenigen Augenblicke, in denen
die Pfleger Zeit haben, sich etwas mit ihr zu beschäftigen. Aber die überschäumende Freude ist in der meisten Zeit
einer leisen Trauer gewichen.
Deshalb suchen wir nun für Casssandra dringend Menschen, die ihr den Spaß am Leben zurück geben. Ein großes
Herz, viel Liebe und haufenweise Zeit zum Kuscheln und für lange Spaziergänge sind die wichtigsten Voraussetzungen
für eine Adoption. Jagdhunderfahrung wäre von Vorteil, auch wenn Cassandra nie die Möglichkeit hatte, einen
Jagdtrieb zu entwickeln. Aber als Settermix steckt ihre eine gute Nase und das Interesse an allem, was fliegt, trotzdem im Blut.
Ein eigenes Haus mit Garten würde Cassandra die erste Zeit der Umstellung sehr erleichtern. Sie kennt ja noch nichts,
außer dem Leben in einem Tierheim und muss in der neuen Welt ganz von vorn anfangen. Aber sie ist so bemüht, es den
Menschen recht zu machen, dass wir keine Bedenken haben: Sie wird ihren Menschen das entgegen gebrachte Verständnis und
alle Zuneigung doppelt und dreifach zurück zahlen.
Lassen Sie sich übrigens nicht von Cassandras Aussehen täuschen: Sie ist durch ihre Lebensumstände früh
ergraut und wirkt dadurch älter, als sie tatsächlich ist. Ein Setter mit 10 Jahren gehört noch nicht zum alten
Eisen!
Die liebenswerte Cassandra hat es nach Österreich in die Nähe von Ach verschlagen.
Dort wurde sie bereits sehnlichst von ihrer Familie und einer
Hundefreundin erwartet.
Vermittelt im Dezember 2011