Lieber Frederico,
Dein Leben lang wurdest Du missachtet, nicht wahrgenommen. Du warst nur ein Objekt unter vielen anderen Objekten. Leid war an der
Tagesordnung. Erst als Du schon alt und grau warst, hast Du ein würdevolleres Dasein und eine liebevolle
Pflegerin erleben dürfen. Wahrscheinlich war das das Schönste, was Du je erfahren hast.
Als ich Dich in die Vermittlung bekommen habe, haben mich Deine Bilder so berührt. Traurige Augen, aber ohne Anklage. Liebe,
traurige, fragende Augen. Ich habe große Achtung vor Deiner geschundenen Seele, die nicht aufgegeben hat und die immer noch offen
war für Menschen. Haben wir das überhaupt verdient?
So sehr freuten wir uns, als sich eine Familie meldete, die Dir endlich ein warmes Plätzchen, Liebe und Geborgenheit geben
wollten. Weihnachten solltest Du in einem kuscheligen warmen Körbchen liegen. Aber leider hast Du es nicht mehr geschafft. Auf
dem Weg in Dein neues Zuhause wollte Dein Körper nicht mehr.
Lieber Frederico,
wir werden Dich nie vergessen. Auch wenn Du es selber nicht erleben durftest, Du wurdest geliebt, Du hattest einen Platz im Herzen
von zwei ganz lieben Menschen. Du hattest eine Bedeutung für jemanden. Du stirbst nicht ungeachtet. Du hinterlässt eine
Lücke, ohne je daheim gewesen zu sein.
Viel Glück hinter der Regenbogenbrücke, lieber Setterbub. Du hast es überstanden, Deine Seele ist jetzt frei. Ich
habe großen Respekt vor Deinem Leid, vor Dir, wie Du Dein Leben getragen hast.
Deine Vermittlerin
28. November 2011
Fredericos Vorstellung
Vermutlich gehörte Frederico mal zu den Jagdhunden, die sich nicht bewährt haben und deshalb aussortiert worden
waren. Vielleicht ist er auch einfach als junger Hund bei der Jagd verloren gegangen und sein Besitzer hat sich nicht die
Mühe gemacht, ihn zu suchen. Aber als Frederico im Jahr 1996 in die Hundehölle eingeliefert wurde, war er kein Welpe
mehr. Dafür war sein Körper voller Schrotkugeln, weil man auf ihn geschossen hatte. Und so oder so sollte es für
ihn eine Fahrkarte (beinahe) ohne Wiederkehr sein.
Fast sein gesamtes Leben verbrachte der sensible und liebe Kerl in dieser Institution, die so hundeverachtend war, dass sogar
die italienischen Behörden eines Tages einsahen, dass man Hunde so nicht halten kann. Im Jahr 2007 wurden die Tiere
beschlagnahmt, aber es dauerte weitere 2,5 Jahre, bis ein neues Tierheim gebaut war und die gequälten Kreaturen endlich in
die Hände von echten Tierschützern gelangten - zumindest die, die es überlebt hatten. Im Gegensatz zu vielen
anderen hat es Frederico überlebt - wenn auch nur knapp. Denn die Jahre, in denen er ohne Liebe, ohne ausreichend Futter,
unter dauernder Angst, in unerträglichem Stress und unglaublichem Unrat leben musste, haben ihn gezeichnet.
Der Aggressionspegel in der Hundehölle - sowohl zwischen den Tieren als auch zwischen Personal und Hunden - war so groß,
dass er sich ganz klein gemacht hat, um nicht aufzufallen, fast unsichtbar. Bis heute bemerkt man Frederico eigentlich gar nicht:
Nie fordert er etwas ein, nie drängt er sich vor, immer bleibt er völlig bescheiden im Hintergrund und lässt allen
den Vortritt. Wenn man sich mit ihm beschäftigt, merkt man aber, wie sehr er die Liebe eines Menschen vermissst, wie sehr
seine Seele nach Zuwendung hungert, nach Verständnis und Geborgenheit. Ein wenig reserviert ist er anfangs durch all die
Enttäuschungen, die er erlebt hat. Aber er öffnet sich sanft, wenn er die Zuneigung spürt.
Mit anderen Hunden hat Frederico überhaupt keine Schwierigkeiten. Er begegnet ihnen freundlich oder geht denen aus dem Weg, die
ihm nicht gut gesonnen sind. Im Oktober 2011 ist seine Partnerin gestorben, die sein Gehege über viele Jahre geteilt hat.
Der liebenswerte Kerl vermisst sie sehr und mochte sich anfangs nicht auf neue Gesellschaft einlassen. Langsam akzeptiert er aber
auch diese Wendung des Schicksals.
Fredericos Gesundheitszustand ist nicht mehr der allerbeste. Er hört und sieht nicht mehr so gut, bräuchte dringend
eine Zahnsanierung und hat verschiedene Altersbeschwerden. Aber noch ist er bereit, sich davon überzeugen zu lassen, dass
das Leben ihm doch noch ein wenig Glück schenkt. Der sanfte Rüde teilt das Schicksal vieler Jagdhunde bei uns im
Canile: verbraucht, weggeworfen, vergessen. Übrig bleibt ein elendes Häufchen Hoffnung, eine Hoffnung, die die Hunde
leben und ihr Schicksal erdulden lässt. Aber der Preis, den sie für die Verantwortungslosigkeit der Menschen zahlen,
ist unendlich hoch.
Frederico war am 22. Dezember auf dem Weg nach Deutschland in sein neues Leben.
Wir hatten so für ihn gehofft, dass er noch ein wenig Zeit hätte, mit seiner eigenen Familie ein würdigeres
Hundeleben nachzuholen.
Aber Frederico durfte nicht mehr in seinem Glück ankommen.