Und immer noch ein Lächeln
Gaias Vergangenheit hätte sie eigentlich ängstlich, resigniert oder aggressiv machen müssen, denn die Hündin hat
ihr gesamtes Leben in einem italienischen Tierheim verbracht, dass die Bezeichnung 'Heim' nicht mit einem Buchstaben verdient. Sie
lebte dort in einem Gehege, in dem den Hunden der Schlamm in der Regenzeit bis zu den Knien stand. Die Hundehütten waren nichts
als vermoderte Überreste lieblos zusammengehauener Holzkisten. Kein richtiges Dach über dem Kopf schützte vor Regen,
nichts hielt die Kälte im nassen Winter Mittelitaliens ab, nie gab es genug Futter oder frisches Wasser. Niemand machte die
Gehege richtig sauber, hatte ein nettes Wort oder sogar eine streichelnde Hand für die Hunde übrig. Nichts als Lärm,
Gestank, Trauer und Einsamkeit, dazu Frust und Aggressionen von hunderten anderer Hunde um sie herum, die dasselbe Schicksal erlitten.
Die meisten Hunde gehen irgendwann an solch einer Situation seelisch kaputt, insbesondere, wenn sie so lange dauert wie bei Gaia. Aber
diese sanfte Hündin hat es geschafft, sich ihren Seelenfrieden zu bewahren und die Fähigkeit, sich auch über kleine
Dinge freuen zu können. Gaia hatte das Glück, im Jahr 2010 in ein Tierheim gebracht zu werden, in dem man sich sehr viel
Mühe mit den Hunden gibt. Und kaum war sie dort angekommen fing sie an zu strahlen, sobald ein Mensch ein Wort an sie richtete
oder ihr seine Aufmerksamkeit zuwandte.
Sie hat einen unglaublich liebevollen, sanftmütigen Charakter, der jede Freundlichkeit aufsaugt, wie ein Schwamm und alles mit
einem warmen, sonnigen Blick aus ihren Augen erwidert. Man kann gar nicht anders, als mit der Hand über ihren Kopf fahren, wenn
man vorbei geht, weil Gaias Dankbarkeit einem dann ungemindert entgegen strahlt und den Tag ein wenig schöner macht.
Wen wundert es da, dass Gaia sich mit allen anderen Hunden blendend versteht und sowohl mit Rüden als auch mit Hündinnen
aller Altersklassen friedlich auskommt. Als ihr langjähriger Gehegegenosse Puma ein Plätzchen in Deutschland gefunden hat,
schloss sie sofort Freundschaft mit einem sensiblen, neu hinzu gekommenen Setter. Seitdem kuscheln die beiden zusammen in einer Schale,
halten sich gegenseitig in den Nächten warm und geben sich Halt.
Menschen begegnet Gaia eigentlich immer liebevoll, auch wenn sie sie noch nicht kennt. Zu viele neue Gesichter auf einmal irritieren
sie manchmal ein wenig, sie hat ja nie viel Kontakt zu verschiedenen Zweibeinern gehabt, auch wenn ihr Gehege im alten Tierheim in der
ersten Reihe lag und sie so mehr sehen konnte, als andere Hunde. Aber auch an Fremde gewöhnt sie sich schnell und besticht dann
sofort wieder mit ihrer sanften, schmusigen Art. Sie kann sich über jede Kleinigkeit wundervoll freuen, sei es ein Leckerli, ein
wenig unvorhergesehenen Auslauf, eine freundliche Hand auf ihrem Körper. Und alles wird mit ihrem lächelnden Gesicht belohnt.
Gaia hat es mehr als verdient, die letzten Jahre ihres Lebens ein wenig dafür entschädigt zu werden, was Menschen ihr in ihrer
Jugend angetan haben. Sie hat ein warmes, kuscheliges Plätzchen in einer Familie verdient, die ihr all das an Nähe und Liebe
gibt, was sie nie kennenlernen durfte. Sie hat endlose Streicheleinheiten verdient, die ihr zurück geben, was sie in ihrem Leben an
andere Zwei- und Vierbeiner verteilt hat. Sie hat die Ruhe und Geduld verdient, die sie braucht, um sich an ein neues Leben zu
gewöhnen. Aber wir sind völlig sicher, dass sie ihrem Menschen unendlich viel dafür zurückgeben wird.
Gaia konnte zu einer lieben Familie nach Tutzing, in der Nähe von München, ziehen.
Dort wurde sie mit offenen Armen empfangen.
Vermittelt im Dezember 2011