In Würde altern ?
Es war im Jahr 2008, mitten im heißen Sommer, als Agadir vor dem Bürgermeisteramt einer kleinen italienischen
Gemeinde ausgesetzt wurde. Ein reinrassiger Neufundländerrüde, abgeschoben in einem Land, dass für solch einen
Hund mit seinem heißen Klima sowieso schon schwer erträglich ist. Abgemagert, verfilzt und schwitzend wurde er
eingefangen und in ein kleines Privattierheim gebracht, das die Hunde nur aufnimmt, um mit dem Leid der lebenslang dort
begrabenen Kreaturen Geld zu verdienen. Dort wurde Agadir in ein kleines Gehege gepfercht und einfach vergessen ...
Wenn er nicht das Glück gehabt hätte, dass die für ihn zuständige Gemeinde die Verträge mit seinem
alten Tierheim gekündigt und ihre Hunde zu uns gebracht hätte, wäre er dort wohl elend gestorben, ohne jemals
wieder so etwas wie Zuwendung oder eine streichelnde Hand gespürt zu haben. Aber im Mai 2011 kam Agadir bei uns an: ein
verfilztes Knochengestell, körperlich, seelisch und gesundheitlich komplett am Ende, ein Häufchen Elend, in dem
nicht mehr viel Leben steckte. Er war mehr tot als lebendig und wir hatten erwartet, dass er uns zwischen den Fingern
wegsterben würde, ohne dass wir noch viel für ihn hätten tun können.
Aber er erholte sich ganz langsam, genoss den ersten Sommer bei uns mit viel liebevoller Behandlung, gutem Futter, einem
halbwegs weichen Schlafplatz und kompetenter medizinischer Unterstützung. Langsam aber sicher fing er sich wieder. Etwas
mühsam rappelte er sich dann durch die kaltnassen Monate des Winters und wieder dachten wir, er würde es nicht
schaffen. Aber seitdem im Frühjahr die Sonne seine alten Knochen wärmt, blüht er zusehends auf und fängt
mittlerweile ganz leise an, von innen zu strahlen und ein wenig von dem zu zeigen, was in ihm steckt.
Denn Agadir ist ein sehr sanfter, mit allen verträglicher und immer ruhiger Neufundländerrüde mit einer
großen Seele. Er hat einen so milden Gesichtsausdruck, dass er immer ein wenig an einen weisen alten Mann erinnert, der
gelernt hat, dass Schweigen besser als Reden ist. Er liebt sanfte Streicheleinheiten, gutes Fressen, den Sonnenschein, der im
Frühjahr seine morschen Knochen wärmt und die ruhige Nähe zu den Menschen, die er liebt.
Agadirs Gesundheitszustand ist seinem biblischen Alter entsprechend nicht mehr sehr gut. Er hat leichte Probleme mit seinem
Herzen, die aber nicht kritisch sind. Eine böse Arthrose steckt in seinen Knochen und quält ihn besonders an kalten
und nassen Tagen. Dann kann er sich kaum mehr bewegen und hat große Schwierigkeiten, sich vom feuchtkalten Betonboden
zu erheben, der im Tierheim leider allgegenwärtig ist. Und seine Ohren spielen ihm böse Streiche und ärgern
ihn mit ständigen Entzündungen.
Ob Agadir noch die Chance bekommt, die Liebe und Fürsorge eines eigenen Zuhauses zu genießen, ob er noch jemals in
den Genuss kommen wird, auf weichen Kissen zu schlafen, streichelnde Hände auf seinem Körper zu spüren und
leckeres Nassfutter zu fressen, dass sein Maul nicht durch Härte quält ... ob er die Chance bekommt, die letzte kurze
Zeit seines Lebens in Würde zu verbringen ... all das wissen wir nicht.
Aber wir hoffen, dass Sie Agadir trotzdem nicht im Stich lassen. Vielleicht haben Sie ein Herz für ihn und helfen ihm als
Pate, sein Leben ein wenig schöner und liebevoller zu gestalten, auch wenn er es in einem Tierheim verbringen muss. Und
ganz vielleicht, gibt es auch irgendwo noch eine große Seele - so groß wie die Agadirs - die ihn zu sich holt und
ihm das gibt, was er schon lange aufgegeben hat, zu erhoffen: Liebe, Würde und Frieden.
Eine Freundin in der Ferne hat Agadir schon gefunden:
Petra Radetzky greift ihm finanziell unter die Pfoten
und auf ein gelegentliches Paket von ihr darf er sich auch freuen!
Agadir hat auf seine alten Tage endlich einmal so richtig Glück gehabt.
Er hat die Aufmerksamkeit einer lieben Familie in Neuburg an der Donau gewonnen, die sich sofort in den tapsigen Bären verliebt haben.
Vermittelt im Juni 2012