Erfroren in der Hundehölle
Im Januar 2001 wurde eine Hündin zusammen mit ihren neun Welpen in ein privates Tierheim in Mittelitalien eingeliefert. Die
Babys waren zwei Monate vorher geboren worden und kamen nun in das Alter, in dem sie vermittelt werden konnten. Unter einem
Vorwand wurden sie kurze Zeit später in eins der Tierheime gebracht, die man in ganz Europa als "Italienische
Hundehölle" fürchten gelernt hat. Eigentlich hätten sie dort wohl bis ans Ende ihrer Tage dafür sorgen
sollen, der Tierheim-Leiterin ein schönes Leben zu finanzieren. Aber der Hartnäckigkeit einer Tierschützerin, die
sich immer wieder nach den Kleinen erkundigte, war es zu verdanken, dass die Welpen doch noch alle vermittelt wurden. Alle? - Das
hatte Patricia im Jahr 2001 gedacht, denn das war ihr von der Hundehöllenbetreiberin seinerzeit immer wieder bestätigt
worden.
Im Jahr 2007 waren die Behörden so nachhaltig auf die katastrophalen Bedingungen in dem Heim aufmerksam geworden, dass die
Hunde konfisziert und einem Tierschutzverband übergeben wurden. Patricia war eine der ersten, die sich um die 450 Tiere
kümmerte, die unter unwürdigsten Bedingungen vor sich hin vegetiert hatten und nun krank und psychisch am Ende in ein
neues Leben hinüber gerettet werden sollten. Sie sah viele zerstörte Hundeseelen, aber am meisten erschütterte sie,
dass sie zwischen all den Fellnasen eine völlig verängstigte Hündin fand, die sie sofort als einen der damals
angeblich vermittelten Welpen erkannte.
Dolly, wie die Hündin genannt wurde, war in einem katastrophalen Zustand. Verstört und heruntergekommen saß sie
bewegungslos in einem der Gehege. Ihre Seele war unter der furchtbaren Behandlung eingeforen und nichts konnte diese Starre
durchbrechen. Ihre Mutter war im Laufe der Jahre gestorben, sie war als einziger Welpe von dem Wurf übrig geblieben und
zwischen die Unmengen anderer Hunde gesteckt worden. In einer Umgebung, in der Angst, Aggression und unsäglcher Stress das
Leben bestimmen, hatte ihr sanfter Geist schnell aufgegeben, sich zu wehren und sie hatte sich in sich selbst verkrochen.
Aber Dollys Wesen hat sich trotz all der Qualen, die sie erleiden musste, nicht geändert. Sie ist zwar immer noch eine
scheue, unsichere Hündin, aber in ihrer ausgesprochen sanftmütigen, rührenden Art wünscht sie sich nichts mehr,
als Menschen, die sie lieben und vor all dem beschützen, was ihr jahrelang solch schreckliche Angst gemacht hat. Man kann
Dolly mittlerweile problemlos anfassen, sie lässt sich streicheln und beschmusen, pinkelt aber immer noch mal vor Angst dabei
unter sich. Demütig wartet sie ab, was die Berührungen der Menschen ihr bringen, aber wenn sie merkt, dass es nun endlich
Liebe ist, die ihr entgegen gebracht wird, entspannt sie sich merklich unter den Händen und genießt auf eine ganz
stille, unbewegliche Art diese Geschenke, die sie als junger Hund nie erfahren durfte. Sie würde so gern mehr zulassen, aber
die Wunden der Vergangenheit heilen langsam und die Tierheimumgebung ist nicht der richtige Ort, um sie alles vergessen zu lassen.
Bis heute traut Dolly sich noch nicht aus ihrem Gehege heraus in den Freilauf. Sie wurde unter mobbenden Hunden groß, bei
denen es besser war, wenn man mit dem Rücken an der Wand stand, damit man nur von vorn angegriffen werden konnte. Immer noch
fehlt ihr daher das Vertrauen, sich auf eine offene Fläche hinaus zu wagen. Trotz allem kommt sie bestens mit allen anderen
Hunden klar, sie unterwirft sich sofort, falls es doch noch mal Ärger geben sollte und versucht, immer unauffällig
zwischen ihnen zu sein. Ihren Gehegepartner Dino liebt sie sogar sehr, er ist ihr Halt in dieser Welt, die sie nicht versteht. Wenn
Dino in den Freilauf geht, schaut sie ihm vom Gehege aus vorsichtig zu und bewundert ganz offensichtlich den Mut ihres Freundes.
Abgesehen von ihrem mehr als traurigen Schicksal, hat Dolly auch noch das Pech, zu den Hunden zu gehören, für die
keine Gemeinde zahlt, weil sich niemand für sie zuständig fühlt. Das bedeutet, dass die anderen Hunde sie quasi
"miternähren" müssen. Solange es nur um das tägliche Futter geht, ist das kein Problem. Aber schon ihre
medizinische Grundversorgung ist eigentlich nicht mehr gewährleistet und muss von anderen Geldern abgeknappst werden. Und
sollte Dolly irgendwann mal krank werden, wird kein Geld da sein, um sie richtig behandeln zu können. Außer, Sie helfen
ihr dabei.
Für Dolly wäre es daher in vielerlei Hinsicht ein Segen, das Canile verlassen zu dürfen. Denn solange sie da ist,
wird sie mit ihrer allgegenwärtigen Vergangenheit nicht abschließen können. Dolly braucht unbedingt Menschen, die
ihr unendlich viel Liebe, Geduld und Zuwendung entgegen bringen und ein ruhiges, ritualisiertes Leben führen, das ihr
Sicherheit vermittelt. Ein Hundefreund würde ihr sehr helfen, sich in dem neuen Leben zurecht zu finden. Kinder machen ihr
vermutlich erst mal Angst, denn sie hat noch nie welche gesehen und wird mit der Unruhe, die besonders die kleineren verbreiten,
anfangs vermutlich eher schlecht umgehen können. Auch Katzen hat es in ihrem Leben noch nicht gegeben, sie wird sich vor ihnen
aber wahrscheinlich anfangs zurückziehen, weil ihr immer noch alles Angst macht, was sie nicht kennt.
Wer Dolly helfen möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Hündin in ihrem Leben nichts anderes kennen
gelernt hat, als Tierheimgehege und Angst. Sie hat noch einen weiten Weg vor sich, bis sie annähernd glücklich leben
kann, aber sie ist wirklich bemüht und wird diese Entwicklung außerhalb des Caniles wesentlich schneller schaffen
können als dort. Dolly ist so eine liebe, sanfte und rührend verletzliche Hündin - sie hat endlich ein klein
wenig Glück im Leben verdient.
Da wir nicht wissen, ob es Menschen gibt, die Dolly ein Zuhause anbieten können, würde das Tierheim sich bis dahin
auch über Paten freuen, die aus der Entfernung an sie denken und ihr hier oder da mal etwas Besonderes zukommen lassen. Und
vor allem auch über Paten, die sich finanziell an Dollys Lebensunterhalt beteiligen. Denn dann kann sie auch den Zeiten
beruhigt entgegen sehen, in denen sie vielleicht nicht so gesund ist wie heute.
Dezember 2011:
Dollys Geschichte hat viele Menschen bewegt. So möchten ihr
Susanne Wappler, Marlies Mügge und
Andrea
Freund ab und zu ein Paket senden, um ihr zu zeigen, dass sie nicht vergessen ist. Und sie mit feinen Leckereien
verwöhnen

.
Andrea Freund greift ihr zudem finanziell unter die Arme, damit wir sie mit dem Nötigen versorgen
können.
Auch
Gudrun Hantschmann wird Dolly finanziell unterstützen und überrascht sie zudem gelegentlich mit einem Paket.
Neu zu Dollys Paten hinzugekommen ist
Martina Bradford. Sie greift ihr mit einer Finanzspritze unter die Arme und
möchte sie gern mit einem Geschenkspaket überraschen.
Ganz herzlichen Dank an alle Freunde Dollys in der Ferne!
Dolly ist im schönen Holland eingebürgert worden.
Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie sich auf die Fähre
ins Glük begeben.
Vermittelt im Februar 2012