Für Giulia kommt unsere Vorstellung zu spät.
Sie starb kurz bevor wir sie hier im Netz vorstellen wollten.
Giulia gehörte zu den ehemals fast 600 Hunden, die wir vorfanden, als die Hundehölle, in der sie damals lebte, im Jahr
2007 konfisziert wurde. Sie war mit sechs Monaten dort abgegeben worden - im Jahr 1998. Ihr ganzes Leben hatte sie in diesem
Martyrium verbracht und die Hoffnung vermutlich binnen der ersten Monate aufgegeben, dass das Leben noch auf sie warten würde.
Schon als junger Hund galt sie als zurückhaltend und schüchtern. Ihre Taktik, zwischen all den Aggressionen und
Beißereien zu überleben, bestand darin, sich nahezu unsichtbar zu machen. Trotz ihrer Größe fiel sie nicht auf,
sondern verhielt sich so unscheinbar im Hintergrund, dass man nahtlos an ihr vorbeischauen konnte. Diese Fähigkeit hatte ihr
vermutlich das Leben gerettet. Wenn man das, was sie in all den Jahren ertragen musste, überhaupt als Leben bezeichnen konnte.
Als sie im Jahr 2010 in Monte ankam, hatte sie so viel Ausstrahlung wie ein Hauch von Nebel im Morgengrauen. Niemand kam so recht in
ihre Nähe, anfassen ließ sie sich nur höchst ungern. Allerdings ließ sie alles widerstandslos über sich
ergehen, wenn man sie erst mal gegriffen hatte.
Als Denis (ihr Pfleger) die Hündin sah, tat sie ihm in ihrer Unscheinbarkeit so leid, dass er sie spontan ins Herz schloss. Er
fing an, sich viel mit ihr zu beschäftigen. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Giulia ihn heiß und innig
liebte für diese Zuwendung und ihn anhimmelte, kaum dass er in ihre Reichweite kam. Denis durfte seither alles mit Giulia
machen. Sogar das Reinigen der Ohren, die wegen einer chronischen Entzündung lange und schmerzhaft behandelt werden mussten,
ertrug sie klaglos - Hauptsache er war in ihrer Nähe und kümmerte sich um sie.
Auch mit den Zähnen hatte Giulia anfangs massive Probleme. Das Zahnfleisch war flächendeckend entzündet, die Zähne
in Teilen so marode, dass sie ständig Schmerzen gehabt haben muss. Erst eine OP kombiniert mit einer Zahnreinigung brachte
Linderung, aber ganz ausgeheilt waren ihre Beißer gar nicht mehr. Allerdings fraß sie seitdem wieder gut und hatte
sichtlich zugenommen.
Bei Giulias Alter war es nicht verwunderlich, dass ihr Herz ebenfalls nicht mehr das allerbeste war. Die Zahn-OP war ein Risiko, das
der Tierarzt nur ungern eingegangen war. Aber Giulia hatte es besser als erwartet verkrafte. Alles in allem war ihre Konstitution
besser geworden und ihre Lebensqualität war sichtlich gewachsen.
Sie genoss sanfte, leise Streicheleinheiten und ein stilles Miteinander - vorzugsweise natürlich immer noch von Denis. Aber
mittlerweile war sie auch bereit, anderen Menschen Zugang zu ihrer Seele zu gewähren. Es brauchte ein wenig Zeit, bis man ihre
Schüchternheit überwunden hatte. Aber dann hing sie dankbar an den Menschen, die ihr das einzige bisschen Glück
bescherten, das sie in ihrem Leben kennenlernen durfte.