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14. Dezember 2011

Orazio

Schmusebacke mit Temperament

Orazio Orazio Orazio


Es gibt Hunde, vor denen kann man nur den Hut ziehen - Orazio gehört dazu: Dieser Hund ist ein Traum an Menschenbezogenheit, an Fröhlichkeit, an guter Laune, an positiver Einstellung zum Leben. Ein Schmuser vor dem Herrn, ein aktiver Freund und Begleiter, der seine Menschen über alles vergöttert. Wenn man seine Geschichte kennt, fragt man sich, wie er sich solch einen Charakter über all die Jahre bewahren konnte ...

Orazio war irgendwas zwischen 6 und 8 Monaten alt, als er im Jahr 2003 von seinen Besitzern abgeschoben wurde - in eine der schrecklichsten italienischen Hundehöllen. Die jungen und kranken Hunde wurden dort in einem maroden Gebäude untergebracht, in dem sie auf engstem Raum eingepfercht wurden, weitgehend ohne Licht, ohne ausreichend Nahrung und Wasser, unter den katastrophalsten hygienischen Bedingungen, unter unerträglichem Stress und in permanenter Angst. Zuwendung kannten diese Hunde überhaupt nicht, sie kamen nie aus ihren kleinen Verschlägen heraus, in denen sie quasi gestapelt wurden. Der Kot der Hunde und Ratten lag knöchelhoch in den kleinen Gehegen. Die Tierschützer, die das gesehen und später davon erzählt haben, sagten uns, sie würden nie wieder den Gestank von an Parvovirose sterbenden Welpen und von Ratten angefressenen Kadavern vergessen, der in einer unbeschreiblichen Konzentration in dem Gebäude herrschte. Auch Orazio büßte durch Rattenfraß einen Teil seines Schwanzes ein, als er noch sehr jung war.

Orazio In dieser Umgebung verbrachte Orazio die erste Zeit seines Lebens. Irgendwann war er alt genug, um dort heraus zu kommen, aber das machte seine Lage nicht besser. Danach wurde er an eine gerade mal ein Meter lange Kette gelegt - und für fünf unvorstellbar lange Jahre auf der blanken Erde festgezurrt, ohne jemals wieder losgemacht zu werden. Er lebte in diesem Jahren in einem schmalen, ca. 100 Meter langen Korridor zwischen den Gebäuden der Hundehölle, in dem die Hunde im Abstand von ca. 3 Metern angekettet waren, damit sie sich nicht gegenseitig in ihrem Stress zerfleischen konnten. Von seiner "Hundehütte" gab es nur noch den Boden mit ein paar Restbrettern an der Seite - kein Dach das ihn vor der gleißenden Sommersonne, vor Regen oder Schnee im Winter beschützt hätte. Auch nicht vor den Schlägen und Fußtritten des "Pflegepersonals". Für ganz wenige der Hunde gab es alte, zerfledderte Sonnenschirme als Schutz - Orazio gehörte nicht zu den Bevorzugten.

Orazio Erst als die Behörden vor den katastrophalen Bedingungen dieses "Hundeheims" nicht mehr die Augen verschließen konnte und die Tiere konfisziert wurde, änderte sich Orazios Lage. Er gehört zu den gerade mal 50% der Hunde, die die Folgen dieser Behandlung überlebten und Anfang 2010 in ein neu gebautes Canile umziehen konnten.

Umso mehr waren seine Pfleger erstaunt, wie unglaublich liebenswert Orazio geblieben ist. Er vergöttert Menschen, liebt nichts mehr als Streicheleinheiten und versucht, all das nach zu holen, was er in den ersten langen und grausamen Jahren seines Daseins verpasst hat. Wenn er heute darf, dann rennt er wie ein Wilder voller Freude und fast an einen Junghund erinnernd im Freilauf herum und macht dabei Bocksprünge vor Freude. Sobald sich ein Mensch zeigt und er halbwegs ausgepowert ist - denn Energie besitzt er trotz seiner Jahre noch zur Genüge - wirft er sich den Menschen in den Arm und will nichts mehr, als schmusen. Fast erstaunlich ist, dass er bei seinen bisherigen Lebensbedingungen bis heute anscheinend kerngesund ist und die Tierärzte in Italien keine Erkrankung an ihm feststellen konnten.


Orazio - MyVideo
Das zeigt sich besonders an seiner Beweglichkeit und seiner Freude am Rennen. Eine seiner Leidenschaften ist es, spazieren zu gehen und all die köstlichen Dinge mit seiner feinen Nase zu erwittern, die er früher nie riechen konnte. An seiner Leinenführigkeit muss dringend noch gearbeitet werden, aber wenn man seine Geschichte kennt, kann man sein zeitweiliges Ungestüm gut verstehen. Mit anderen Hunden läuft er gern um die Wette - richtig mit ihnen spielen hat er nie gelernt. Aber er kommt trotz seiner mangelnden, direkten Hundekontakte in der Jungend heute prächtig mit (fast) allen anderen Hunden aus. Lediglich große machen ihm manchmal Angst, dann verzieht er sich schnell und sucht das Weite.

Orazio sucht Menschen, die Verständnis dafür haben, dass er nicht nur fast nichts im Leben kennen gelernt hat, sondern auch noch alles nachholen will. Und dass er dafür nicht mehr ewig Zeit hat, auch wenn er noch sehr aktiv und jung geblieben ist. Orazio möchte - so lange er noch kann - viel unterwegs sein und ganz viele Dinge kennen lernen. Er ist intelligent und mag es, seinen Kopf zu gebrauchen.

Der liebenswerte Hundebengel braucht aber genauso seinen Ruhepol im Haus - und das bitte wenn's irgend geht auf weichen, warmen Kissen. Denn die hat er bis heute nicht kennen gelernt. Er liebt ruhige Kuschelstunden mit seinen Menschen, die Geborgenheit von Zweibeiner, die ihn beschützen, das Glück dazu gehören zu dürfen und die Gewissheit, nie wieder dahin zurück zu müssen, wo er mal war.

Vielleicht gibt es irgendwo Setterliebhaber, möglichst mit einem eigenen großen und gut eingezäunten Grundstück, die ihm für den Rest seines Lebens zeigen wollen, dass diese Erde auch richtig schön sein kann? Und dass er sich seine Liebe zu Menschen nicht umsonst bewahrt hat.

Wegen seines verkürzten Schwanzes darf Orazio leider nicht in die Schweiz vermittelt werden.


Auch Orazio hat sich auf die Reise in ein neues Leben gemacht. Er wohnt seit Januar 2012 in seiner eigenen Familie in Garbsen.
Alles Gute, liebenswerter Hundebub!



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