Wie lange Kelly in der italienischen Hundehölle ausharren musste, aus der sie befreit wurde, ist nicht bekannt.
Schriftliche Aufzeichnungen über die Hunde wurden dort kaum gemacht. Erzählt wird aber, dass Kelly schon als sehr
junge Hündin dorthin kam und das grauenvolle Hunde-Endlager danach nie mehr verlassen hat.
Nie mehr bis zu dem glücklichen Tag im Jahr 2010, als die Tiere wegen der dort herrschenden furchtbaren und absolut
unhaltbaren Zustände konfisziert und in ein neues Tierheim gebracht wurden. An diesem Tag fing Kellys Leben
eigentlich überhaupt erst an, sieben Jahre nach ihrer Geburt!
Die Hündin, die die Tierschützer bei der Räumung der Hundehölle vorfanden, war nur noch ein Schatten von dem
Tier, das sie hätte sein können. Abgemagert bis auf die Knochen, verschüchtert bis zur Unsichtbarkeit, geduckt und
psychisch am Ende, kam sie in ihrem neuen Tierheim an. Jedes winzige bisschen Selbstvertrauen und Lebensfreude hatte Kelly in den
schrecklichen Jahren verloren. Sie versuchte nichts, als unsichtbar durchs Leben zu gehen, um den Beißattacken der anderen
Hunde und den Schlägen des Personals zu entgehen.
Es sollte mehr als ein Jahr dauern, bis sie sich das erste Mal traute, aus ihrem Gehege in den Freilauf zu gehen, Gras unter
den Läufen zu spüren und ein paar Schritte zu laufen. Denn bis dahin war sie mehr geschlichen als alles andere. Aber
schon monatelang vor diesem ereignisreichen Tag stand sie wehmütig schwanzwedelnd an der offenen Tür und blickte ihrem
Freund Theo hinterher, der mit Elan und Freude dort nur wenige Meter vor ihrer Nase herumtollte. Nur, um sich dann leise abzuwenden
und wieder in die Sicherheit ihrer Hütte zu flüchten. Auch bis heute bereiten ihr große Flächen noch Probleme,
sie fühlt sich dort schutzlos und unsicher. Aber mit jedem Tag wird es ein klein wenig besser und ihre Freude an all den neuen
Dingen, die sie nie machen konnte, nimmt zu.
Hinter Kellys verschüchterter Hülle verbirgt sich eine sanfte, sensible Hundeseele, ein liebebedürftiges Wesen, das selig
ist, wenn es gestreichelt wird und sich geborgen fühlen darf. Sie hat immer noch Anlaufschwierigkeiten, wenn sie auf neue
Menschen trifft und drückt sich anfangs in ihrer bescheidenen Art im Hintergrund herum. Aber sobald sie Vertrauen gefasst hat,
genießt sie unendlich, wenn man sich um sie kümmert und sie beschmust. Liebkosungen und Streicheleinheiten sind unglaublich
wichtig für sie, dabei blüht sie auf und strahlt verlegen über das ganze Gesichtchen. Dabei ist es egal, ob der Mensch
groß oder klein ist, der sich Zeit für sie nimmt, Hauptsache er ist einfühlsam und sanft - wie sie selbst.
Mit anderen Hunden versteht Kelly sich ausnahmslos. Mit freundlichen Hunden spielt sie sogar gern und zeigt dann, dass sie durchaus
auch ein fröhlicher und sehr beweglicher Hund sein kann. Sie tritt aber auch bei ihren Artgenossen sofort zurück, wenn ein
anderer Hund Ansprüche anmeldet und geht jeder Schwierigkeit damit aus dem Weg. Kelly hat nie gelernt, etwas einzufordern, weder
Futter noch Freundschaft noch Liebe. Sie begnügt sich mit dem, was man ihr anbietet. Katzen hat sie bis heute keine kennen
gelernt, aber in ihrer bescheidenen Art wird sie vermutlich auch mit Samtpfoten gut auskommen.
Bisher konnten wir Kelly noch nicht dazu überreden, sich anleinen zu lassen. Jeder ungewohnte Zwang am Körper verunsichert
sie extrem und sie erstarrt verängstigt, sobald sie den Zug der Leine spürt. Aber mit Liebe und Geduld wird sie auch das
noch lernen, wenn es ihr ein Mensch zeigt, zu dem sie Vertrauen hat.
Kelly wünscht sich so sehr einen Menschen, der nur für sie da ist und ihr all die Liebe gibt, nach der sie sich sehnt und
die sie nicht einzufordern wagt. Sie sucht ein Zuhause, das ihr Geborgenheit vermittelt, in dem es viel Zeit für sie gibt und wo
ein warmes Plätzchen auf sie wartet. Leise Menschen mit Einfühlungsvermögen und viel Zärtlichkeit wären ihr
Traum, denn auch Kelly ist sanft, leise, sehr sensibel und ausgesprochen liebevoll. Sie hat noch viele gute Jahre vor sich und so
viel Zuneigung zu verschenken. - Irgendwo muss es doch das Plätzchen geben, nach dem sie sich sehnt!
30. Mai 2012
Kelly ist nun seit einiger Zeit in Deutschland und hat sich gut eingelebt.
Ihre Pflegemama berichtet:
Kelly ist eine sehr sanfte und vorsichtige Hündin, die trotz all dem Schlimmen, das sie erlebt hat und all den neuen Dingen,
die nun auf sie einströmen, nie irgendeine Andeutung von Unfreundlichkeit zeigt. Sie MÖCHTE dabei sein, braucht nur
jemanden, der ihr mit Ruhe, Geduld und Zeit die Möglichkeit gibt, all die kleinen Schritte in ihrem Tempo zu machen. Trägt
man dem Rechnung, ist sie ein sehr unkomplizierter Hund, der für jede Freundlichkeit sehr dankbar ist. Sie strahlt dabei sehr
viel Zärtlichkeit aus und ist eine ganz Hübsche.
Fremden Erwachsenen gegenüber ist Kelly sehr zurückhaltend und weicht ihnen aus. Besonders große, dunkle Männer
sind nicht so sehr ihr Fall. Ihrer Pflegefamilie ist sie hingegen liebevoll zugewandt, sie wedelt und freut sich sehr, wenn sie uns
sieht. Streicheleinheiten genießt Kelly ausgesprochen und Körperpflege (Kämmen, Ohrencheck, Zecken entfernen) lässt
sie geduldig über sich ergehen. Immer sucht sie die Nähe der Familie, ist dabei aber nie aufdringlich.
Unsere Kinder (11 und 9) mag sie, sie lässt sich streicheln und verhält sich entspannt, wenn sie um sie herum sind. Kelly
wird aber wohl eher kein Spiel- und Tobe-Kumpel werden. Solange Kinder respektvoll mit ihr umgehen und sie nicht bedrängen, sind
sie jedoch ok.
Anderen Tieren gegenüber ist Kelly sehr sozial. Sie hat sich von Anfang an problemlos in das große Hunde- und Katzenrudel
des Hauses integriert. Auch fremde Hunde sind vollkommen ok für sie. Sie frisst mit den Katzen zusammen, da sie ein
sehr langsamer Fresser ist und ab und zu klauen unsere beiden "Teenagerkatzen" ihr dann etwas von ihrem Futter

.
Im Haus ist Kelly ruhig, anspruchslos, bleibt alleine und war von Anfang an stubenrein. Sie steigt problemlos Treppen, Autofahren braucht
sie bei uns nicht.
Draußen lässt Kelly sich brav anleinen, geht sehr schön ohne zu ziehen an der Leine mit spazieren und genießt das
auch sehr. Sie braucht keine ewig langen Spaziergänge, geht aber flott und entspannt mit. Wenn wir andere Leute treffen - Walker,
Jogger, Fahrradfahrer, Reiter - bereitet ihr das keine Probleme, solange nicht jemand direkt auf sie zugeht oder sie in die Enge treibt:
Dann möchte sie einfach nur weg, lässt sich aber trotzdem gut von einer Bezugsperson beruhigen.
Wie sollte ein neues Zuhause für Kelly aussehen?
In meinen Augen ist es am wichtigsten, dass ihre neuen Menschen Verständnis dafür haben, dass Kelly einfach Zeit braucht
und eine eher ruhige Umgebung, idealerweise ländlich (sie geht nur mit in den Garten, wenn ich dort bin, ansonsten möchte
sie im Haus sein) und ohne zu viel Lärm und Hektik. Wichtig ist auch, dass sie einen Ort hat, an den sie sich zurückziehen
kann. Andere Haustiere sind willkommen, verständige Kinder, die keine Erwartungshaltung an einen Spielkumpel haben, ebenfalls.
Der "Mann im Haus" sollte idealerweise kein ZU männlicher Typ sein, zumindest kein Macho, sondern jemand, der
die Bedürfnisse von Kelly versteht und dem Rechnung tragen kann.
Auch Kelly hat nun ihren endgültigen Hafen gefunden und durfte zu ihrer eigenen Familie nach Uetersen ziehen.
Ihre Pflegestelle hat sie schweren Herzens gehen lassen und wünscht der liebenswerten Hündin alles Glück der Erde!
Vermittelt im April 2013