Zuviel Angst, um zu leben
Ungefähr vier Jahre alt muss Ulca gewesen sein, als sie im Jahr 2004 in die italienische Hundehölle eingeliefert wurde, in
der sie die nächsten Jahre verbringen sollte. Was sie dort erlebt haben mag, wissen wir nicht genau, können es aber erahnen.
So klein wie sie war, wird sie von den größeren, stärkeren und ranghöheren Tieren massiv gemobbt worden sein.
Im Gegensatz zu vielen anderen Hunden hat sie sich nicht kampflos ergeben und totbeißen lassen: Ulca hat gelernt, sich zu wehren.
Und sie wehrte sich erfolgreich, sie überlebte.
Als das Massenlager im Jahr 2007 konfisziert und geräumt wurde, fanden wir sie versteckt lebend in einem winzigen Gehege in der
hintersten Ecke des Geländes, an der Rückseite einer Scheune. Sie war allein und galt als wahre Furie: aggressiv und
unberechenbar, absolut unverträglich mit anderen Hunden und bissig wie ein kleiner Alligator. Von gefürchtetem Respekt bis
hin zur offenen Abneigung schlugen Ulca viele Gefühle entgegen - aber kein einziges war positiv. Sie war abgestempelt und
niemand kümmerte sich um sie. Außer Tritten und Beschimpfungen hatte sie keinerlei "Zuwendungen" durch die
dortigen Hilfskräfte zu erwarten.
Nachdem sie nach Monte übergesiedelt war, versuchten die Pfleger vorsichtig herauszubekommen, wie "bösartig"
Ulca denn nun tatsächlich war. Es stellte sich schnell heraus, dass sie Menschen gegenüber eher schüchtern auftrat,
Gutes hatte sie von Zweibeinern anscheinend noch nie erfahren. Sie zeigte aber von Anfang an nie einen Ansatz, nach Menschen auch nur
zu schnappen, geschweige denn, sie zu beißen. Im Gegenteil: Vom ersten Augenblick an ließ sie sich vorsichtig aber
problemlos anfassen und auch greifen. Leckerlis nimmt sie sanft aus der Hand und freut sich sichtlich, wenn auch verhalten
darüber. Meist versucht sie aber eher, auszuweichen und sich zu verstecken. Sie wirkt auf eine rührend traurige Art immer
etwas misstrauisch und es dauert eine Weile, bis sie sich einem öffnet. Aber es ist nichts Böses an ihr und wenn sie
begriffen hat, dass man sie mag, dann taut sie langsam auf und fängt an, Berührungen und Streicheleinheiten sogar zu
genießen.
Hunden begegnete sie anfangs dagegen mit unerbittlicher Abneigung. Selbst große Fellnasen, die ihr körperlich deutlich
überlegen waren, griff sie anscheinend grundlos wie eine Hyäne an, sobald sie sich ihr näherten. Wenn man Ulca aber
genau dabei beobachtete, konnte man erkennen, dass sie einfach nur verzweifelt versuchte, alle anderen Vierbeiner aus ihrer Umgebung
zu verbannen, als ginge es um ihr Leben. Sie hatte solch große Angst vor ihnen, dass sie sie lieber angriff, als sich zu
verstecken. Ihre Attacken waren hektisch aber nicht sehr effektiv, nie verletzte sie einen anderen Hund schwer. Trotzdem ließen
sich die meisten von ihr ins Bockshorn jagen und mieden ihre Gegenwart.
Patricia war es, die den Versuch wagte, sie mit einem großen Rüden zu vergesellschaften. Sie wählte Oliver aus,
einen gutmütigen und liebenswerten Rauhhaar-Segugio, der bei allen Hunden beliebt war. Anfangs drangsalierte Ulca ihn sehr, aber
er ließ sich nicht von ihr aus der Ruhe bringen und nach einiger Zeit wurden ihre Angriffe schwächer und er gewann das
Vertrauen der kleinen Hündin. Sie benutzte ihn jahrelang als Bollwerk gegen das Leben, versteckte sich hinter ihm und lugte nur
vorsichtig von dort auf alles, was sich ihrem Leben näherte. Für diesen Schutz, den er ihr gewährte, liebte sie ihn am
Ende mit tiefer Hingabe. Sie vertraute ihm sogar so weit, dass er sie dazu überreden konnte, an der Leine mit ihm gemeinsam
spazieren zu gehen - und diese Ausflüge sogar zu genießen.
Nachdem Oliver ein eigenes Zuhause in Deutschland gefunden hat, blieb Ulca allein und etwas verlassen zurück. Es dauerte ein wenig,
bis sie zu einem neuen Rüden ein Verhältnis aufbauen konnte, aber solange es große, ruhige Vertreter sind, ist sie
mittlerweile nach einer Eingewöhnungszeit bereit, ihre Artgenossen zu akzeptieren Bei Hündinnen ist mit Ulca allerdings bis
heute nicht gut Kirschen essen. Sie verteidigt ihren Lebensraum nach wie vor massiv gegen alle Geschlechtsgenossinnen.
Man kann Ulca für ihr Verhalten natürlich als "bösen" Hund abstempeln. Aber wenn man ihre Vergangenheit
betrachtet, wird man schnell merken, dass das kleine Hundemädchen nur aus panischer Angst so handelt - aus Angst davor, selbst
totgebissen zu werden. Wie sehr sie in der Hundehölle unter ihresgleichen gelitten haben muss, kann man heute nur noch an der
Heftigkeit ermessen, mit der sie alle Vierbeiner angreift, denen sie nicht vertraut. Sie ist angstaggressiv und nur schwer davon zu
überzeugen, dass sie solch ein Verhalten nicht mehr nötig hat. Vermutlich könnte man Ulca mit viel Geduld und einem
guten Trainingsprogramm beibringen, wieder mit anderen Hunden auszukommen. Dass sie dazu bereit ist, hat sie mit Oliver bewiesen.
Aber für solch ein Training ist in einem Tierheim keine Zeit. Und solange Ulca unter annähernd denselben Bedingungen wie in
der Hundehölle leben muss, wird sie ihre Vergangenheit auch nicht vergessen können.
Es waren Menschen, die Ulca dies angetan haben. Menschen, die sie unter den grausamsten Bedingungen eingesperrt haben und ums
Überleben kämpfen ließen. Umso mehr hat die kleine Hündin es verdient, dass wir ihre Ängste verstehen, statt
sie dafür zu verdammen. Und dass wir ihr helfen, einen Ausweg aus der Falle zu finden, in der sie lebt. Uns ist klar, dass es
nicht leicht sein wird, ein Zuhause für Ulca zu finden. Es sollten dort keine anderen Hunde leben (oder nur ein großer,
gelassener Rüde) und keine Kinder. Auch mit Katzen wird Ulca sich vermutlich nicht verstehen. Dafür braucht sie Menschen mit
viel Liebe und Geduld für ihre geschundene Seele, Menschen mit Hundeverstand, die ihr den Weg zurück ins Leben zeigen
können.
Solange Ulca diese Menschen noch nicht gefunden hat, würden ihr Paten sehr helfen, die ihr mit Liebe und Verständnis aus
der Entfernung zeigen, dass es jemanden gibt, der sie mag und der ihr Schicksal versteht. Bei vielen Hunden haben die Zuwendungen der
Paten schon wahre Wunder bewirkt - vielleicht können wir mit Ihrer Hilfe auch für Ulca solch ein Wunder erreichen.
6. Januar:
Beinahe einen Rekord hat Julie Zaech-Maxwell aufgestellt. Kaum war Ulca im Netz, schon hat sie eine
erste Patin, die sie künftig mit Geschenken beglücken wird.
Noch früher war aber Doris Kirrbach-Busl mit Ulca bekannt, denn Doris hat Ulca "entdeckt".
Das adopTiere-Team sagt danke!
6. Januar 2013
Ein Wintermäntelchen für Ulca
Ulca hat zu Weihnachten von ihrer Patin Doris unter anderem ein Mäntelchen geschenkt bekommen - und wir finden, es steht ihr
ausgezeichnet. Luca scheint allerdings anderer Ansicht zu sein und hat seine Freundin erst mal gewaltig ausgelacht, so dass sie
anfangs etwas sauer aus der Wäsche geguckt hat. Aber dann fand sie den wärmenden Extra-Pelz doch klasse und hat sich sichtlich
wohl darin gefühlt

.
Liebe Doris: Vielen Dank für dein Engagement um Ulca - ohne dich würde sie noch heute zu den vielen
"Vergessenen" zählen.
Ulca |
|
Rasse | Mix |
Geboren | etwa 2000 |
Größe | ca. 42 cm |
Kastriert | Ja. |
Krankheiten | Keine bekannt. Gechipt, geimpft, bei Ausreise auf Mittelmeerkrankheiten
getestet. |
Behinderungen | Keine. |
Verträglich mit | gelassenen Rüden, Kindern nur, wenn sie groß/verständig sind.
Katzen eher nicht. |
Ulca ist zur Eidgenössin geworden und lebt nun in der schönen Schweiz bei einer lieben Familie, die ihr alle Zeit der Welt
lässt, um in ihrem Zuhause richtig anzukommen.
Vermittelt im März 2013