Sanfte Seele voller Angst
Wenn Gipsy einen Menschen mit ihren großen Augen demütig-ängstlich anblickt, zerreißt es einem das Herz.
Schon als Welpe wurde das sensible Hundemädchen auf dem Land ausgesetzt, seitdem lebte sie völlig zurückgezogen
von Menschen. Auf sie aufmerksam wurde man erst, als sie Anfang Mai 2010 mit einem knappen Jahr in einem Neubau ihre ersten
Welpen gebar. Da ihre Anwesenheit die Arbeiten behinderten, versuchte man, sie einzufangen, was aber nur mit viel Mühe
gelang. Bis man ihrer endlich habhaft werden konnte, waren vier der Welpen bereits tot, nur ein kleiner Junge und ein
Schwesterchen haben überlebt.
Im Canile zeigte sich, dass Gipsy nicht nur völlig unterernährt war, sie hatte auch keine Milch mehr. Die Welpen
mussten anfangs mit Welpenmilch gepäppelt werden, um nicht zu verhungern. Gipsy, die alles starr vor Angst über sich
ergehen ließ, bekam die beste Aufbaunahrung und nach einigen Tagen kamen die ersten Tropfen Muttermilch. Ihre Jungen
saugten begeistert und nach einer weiteren Woche brauchten sie endlich keine Zusatznahrung mehr. Mittlerweile gedeihen die
Kleinen bestens und bereiten keine Sorgen mehr.
Um so mehr bekümmert uns Gipsy selbst. Die kleine Hündin hat ein völlig verängstigtes Wesen, zu dem man nur
sehr langsam Zugang findet. Mit devotem Gesichtsausdruck lässt sie alles über sich ergehen, sie ist absolut
aggressionslos und wehrt sich gegen nichts. Nicht mal das Entfernen der Jungen hat sie negativ quittiert und das obwohl sie
ansonsten eine rührend besorgte Mutter für ihre Kinder ist. Als Segugio-Mix bringt sie allerdings auch die allerbesten
Gene für Sanftmut mit. Diese hochsensible und intelligente Rasse ist ein Traum für anspruchsvolle, feinfühlige
Hundehalter.
Es sind vermutlich gar keine schlechte Erfahrungen, die Gipsy zu ihrem Verhalten bewegen. Viel eher ist es wohl so, dass sie
in der prägenden Welpenphase viel zu wenig Kontakt zu Menschen hatte und andererseits viel zu viel Verantwortung für
sich selbst übernehmen musste. Das verhindert heute, dass sie so leicht wie andere Fellnasen Vertrauen aufbauen und sich
Menschen anschließen kann.
Mit Hunden - egal ob männlich oder weiblich, alt oder jung - kommt Gipsy dagegen bestens aus. Hier macht sich ihre
friedfertige Art rundherum positiv bemerkbar.
Gipsy ist kein einfacher Fall, das wissen wir. Sie kennt bisher nichts als das gefahrenvolle Überleben in Freiheit.
Sie braucht Angsthund-erfahrene Menschen, die sich ihrer annehmen und ein Leben voll Liebe, Geduld, Zuwendung und Zeit
mitbringen, um Gipsy in die Normalität zurück zu verhelfen. Aber dieses junge Hundemädchen ist so rührend
in ihrer Art und bringt so gute Veranlagungen mit, dass wir von ganzem Herzen hoffen, diese besonderen Menschen für
sie zu finden.
Bitte geben Sie Gipsy eine Chance!
21. Juni 2011
Gipsy macht sich ...
Gipsy ist nun schon eine ganze Weile im Canile und hat in der Zwischenzeit ein klein wenig ihrer Angst Menschen
gegenüber abgebaut. Sie weicht immer noch aus, wenn sie kann, aber ihre fast panische Versteinerung von früher
hat sie aufgegeben, wenn sie angefasst wird. Und solange man ein klein wenig auf Abstand bleibt, zeigt sie sogar
vorsichtige Neugier.
Mit den anderen Hunden versteht Gipsy sich ausnahmslos, sie spielt gern mit ihnen und bewacht das Rudel gegen Fremde, die
dann auch schon mal verbellt werden, damit sie auf Distanz bleiben.
Es würde der schönen und topfitten Hündin gut tun, wenn sie aus dem Stress des Hundeheims entfliehen und in
einen ruhigeren Haushalt wechseln könnte. Solange sie vom Lärm Hunderter von Hunden umgeben ist, hat sie keine Chance,
ihre eigene Angst zu besiegen. Aber in der richtigen Umgebung mit ritualisierten Abläufen, auf die sie sich verlassen kann,
wird sie vermutlich schneller Fortschritte machen. Denn dumm ist Gipsy bestimmt nicht, sondern sogar sehr feinfühlig
und sensibel. Sie braucht nur dringend endlich eine Chance ...
Im August 2011 ...
... durften wir Gipsy mit einem großen Paket ihrer Patin Elke Eckert besuchen. Erst noch verunsichert
über das Geschehen ließ sie sich dann doch von den feinen Düften überzeugen. Uns in sicherer Distanz
wägend machte sie sich mit großem Appetit über die Leckereien her. Der Inhalt des Pakets reichte noch für
viele Tage und so konnten wir dem scheuen Mädel noch ganz viele gute Momente mit uns Menschen ermöglichen.
Lieben Dank vom Team adopTiere!
Manchmal geht das Schicksal verschlungene Pfade. So hat auch Gipsy aus einer unerwarteten Richtung eine Hand gereicht bekommen, die ihr den
Sprung in die Freiheit und zu ihrer eigenen Familie ermöglicht hat. Sie darf nun in aller Ruhe in ihrer Familie auftauen und ins Leben finden.
Vermittelt im Oktober 2015