Schon als die erste Pflegerin am Morgen des 8. September zum Canile kam, war klar, dass es einen neuen Gast geben würde.
Neben dem Tor war der Draht großzügig aufgeschnitten und weiße Haare hingen daran. Der Besitzer der
Wollpracht zeigte sich nur wenige Schritte weiter: Ein stattlicher aber völlig verängstigter Maremmanorüde
saß angekettet im Vorplatz des Caniles. Er war anscheinend zu groß gewesen, um ihn über den Zaun zu
werfen (die sonst übliche Methode, Hunde in Canalba zu entsorgen), also nahm man den direkten Weg: Zaun
aufschneiden, Maremmano hinein stopfen und weglaufen.
Noch können wir über Manor nicht viel erzählen. Sein Gesundheitszustand ist übel, er ist verfilzt, abgemagert
und hat lauter offene Stellen im Fell, deren Ursache wir erst noch herausfinden müssen. Aber dass er lieb und geduldig ist,
hat er bereits unter Beweis gestellt. Und dass man ihm in seinem bisherigen Leben viel Angst gemacht hat, braucht er niemandem
zu erzählen. Das kann man auch so sehen.
Sobald wir mehr von ihm wissen, werden wir wieder berichten. Paten und Interessenten sind trotzdem schon willkommen - letztere
aber bitte nur mit Herdenschutzhunderfahrung. Wär doch gelacht, wenn wir Manor nicht gemeinsam beweisen könnten,
dass das Leben auch schön sein kann!
1. Februar 2012: Neues von Manor
Manor hat sich prächtig heraus gemacht. Er hat zugenommen, sein Fell fängt an zu glänzen und er sieht langsam
nach dem aus, was er auch ist: Ein stattlicher, wunderhübscher Maremmano-Rüde mit einer unglaublich liebenswerten
Ausstrahlung. Sicherlich wird er noch Spuren der Vergangenheit behalten, aber seine Tests auf Mittelmeerkrankheiten sind negativ, so
dass zumindest von dieser Seite im Moment nichts zu befürchten ist.
Charakterlich ist Manor einfach nur klasse. Unser Eisbär bezaubert mit seiner Güte und Gemütsruhe selbst Menschen,
die sonst Angst vor großen Hunden haben. Er ist rundherum verträglich mit anderen Hunden und selbst große Rüden
bringen ihn nicht aus der Ruhe. Zwar lässt er sich die Butter nicht vom Brot nehmen, wenn ihm ein Kollege dumm kommt. Man ist
ja schließlich Maremmano und weiß, was man sich schuldig ist. Aber von sich aus fängt er nie Streit an sondern
geht geradezu liebevoll mit anderen Hunden um.
Menschen liebt Manor auf seine ruhige, unaufdringliche Art sehr. Er genießt jede Sekunde, die man ihm widmet und bekommt einen
glücklich-lächelnden Gesichtsausdruck, wenn sich jemand die Zeit nimmt, ihn zu streicheln. Er fordert wenig ein, hält
sich aber immer bereit, um eine Hand auf seinem großen Kopf oder ein Klopfen seiner kräftigen Schenkel nicht zu verpassen
.
Meist mach Manor einen zufriedenen Eindruck, obwohl er im Tierheim leben muss. Aber manchmal sieht man ganz leise die Sehnsucht in
seinen Augen glänzen: Wenn er am Zaun steht und verloren in die Ferne schaut, als würde er jemanden erwarten. Dann merkt
man, was ihm fehlt: Sein eigener Mensch, für den er da sein und mit dem er das Leben teilen kann.