Graziella war noch ein Welpe, als ihre Menschen beschlossen, dass sie keine Verwendung für den niedlichen, kleinen Wurm hatten.
Und dann taten sie etwas, was viel schlimmer war, als den Hund zu töten: Sie schoben ihn in eine der italienischen Hundehöllen
ab. Von dem Augenblick an war Graziellas Leben zu Ende und sie war über Jahre einem Grauen ausgesetzt, das viele ihrer Artgenossen
nicht einmal wenige Wochen überlebten.
Die ersten Monate verbrachte sie in einem dunklen, fensterlosen Verließ im feuchten, schimmeligen Keller eines maroden
Gebäudes, in das die Pfleger nur kamen, um Futter auf den mit Kot und Unrat überhäuften Boden zu schütten, der
sich unter den Füßen der zusammengepferchten und völlig verängstigten Welpen befand. Das meiste davon holten sich
die Ratten, die - wenn nicht genug Hundefutter kam - auch vor den kleineren und schwächeren Welpen nicht Halt machten und sie bei
lebendigem Leibe anfraßen. Ein Übriges taten die Krankheiten, die sich durch die katastrophalen Bedingungen und die fehlende
medizinische Versorgung haltlos ausbreiteten. Die Hundekinder starben wie die Fliegen an Durchfall und anderen Erkrankungen und der
Gestank, den Erbrochenes, Exkremente und die verwesenden Hundeleichen (die nicht entfernt wurden) verbreiteten, war unerträglich.
Als Graziella ein klein wenig größer war, durfte sie dieser Hölle entfliehen ... allerdings nur, um in die nächste
zu kommen. Sie wurde im Freien auf dem blanken Boden an einer gerade mal meterlangen Kette angekettet und von diesem Augenblick an
durfte sie für die nächsten sieben Jahre nie wieder frei laufen! Schutz vor der Witterung hatte sie nicht, weder im Sommer
vor der gleißenden italienischen Sonne, noch im Winter vor dem Schneeregen, der dort über Monate das Wetter bestimmt.
Genauso wenig konnte sie den Fußtritten der Pfleger entfliehen oder der pöbelnden und um sich beißenden
Schäferhündin, die neben ihr angekettet war und in ihrem eigenen Frust bei jeder Gelegenheit über Graziella herfiel und
sie zerbiss, wenn diese nicht aufpasste und sich ein wenig zu sehr in die Nähe wagte.
So sah Graziellas Leben bis zum Jahr 2008 aus. Zu diesem Zeitpunkt waren sogar die italienischen Behörden nicht mehr in der Lage,
die Augen vor den grauenvollen Bedingungen zu verschließen, die in dem Hundelager herrschten und sie konfiszierten endlich die
Tiere, um sie Tierschützern zu übergeben. Graziella durfte endlich anfangen, zu leben.
Warum Graziella bei all diesen Schrecken in der Lage war, nicht nur ihren liebenswerten Charakter sondern auch die Fähigkeit
zu bewahren, immer noch auf Menschen zuzugehen, gehört zu den Rätseln, die wir nicht lösen können. Aber als das
schöne Hundemädchen zu uns kam, brachte sie eine Freundlichkeit und Menschenliebe mit, die sie schnell zum Liebling der
gesamten Belegschaft machte. Sie gehörte von Anfang an zu den Hunden, die auf Spaziergänge mitgenommen wurden, durfte zum
ersten Mal frei laufen und beschäftigte sich in der freien Natur begeistert mit dem, was sie in all den Jahren als einzige
Abwechslung erleben durfte und bis heute als Hauptspaß empfindet: das Fangen von Ratten und Mäusen

.
Graziella verströmte in der ersten Zeit bei uns im Canile eine Fröhlichkeit und Lebensfreude, die geradezu ansteckend war.
Umso trauriger ist es nun, mit ansehen zu müssen, wie die sonst so lustige Hündin zunehmend ruhiger und in sich gekehrter
wird. Graziella hat die barbarische Behandlung der vergangenen Jahre mit ihrer Gesundheit bezahlt. Ihr Herz macht nicht mehr so richtig
mit und seitdem fängt ihre Lebensfreude an zu versiegen, wie ein Bächlein ohne Wasser. Nun wünschen wir uns nichts mehr,
als dem bitteren Schicksal der Hündin ein letztes Schnippchen zu schlagen und sie für die Jahre, die ihr noch bleiben, in
einer liebevollen Familie zu wissen, die sie auf Händen trägt. Nichts weniger als das hat sie verdient nach allem, was die
Menschen ihr angetan haben.
Wir brauchen aber Menschen mit einem sehr großen Herzen für Graziella, denn sie bringt noch ein paar Besonderheiten mit, die
ihre Unterbringung nicht erleichtern. Graziella kommt mit allen Rüden prächtig aus und liebt die Gesellschaft mit ihnen sehr.
Aber seit der Zeit, in der sie neben der Schäferhündin leben und unter ihr leiden musste, ist sie von Hündinnen nicht
mehr begeistert. Unglücklicherweise wurde sie in Italien auch noch nachlässig kastriert, so dass sie aufgrund einiger
versprengter Ovarien ganz selten doch noch mal läufig wird. Zwar gehen die Tierärzte davon aus, dass sie keine Welpen
mehr empfangen kann, aber Rüden finden sie in dieser Zeit nach wie vor sehr spannend, so dass ein Zusammenleben anstrengend sein
kann. Zu einer erneuten OP haben die Tierärzte aber wegen ihres Herzfehlers abgeraten. Als Folge dieser beiden Besonderheiten
ist es am sinnvollsten, Graziella als Einzelhund zu halten, obwohl sie sich mit Rüden in einem Haushalt sehr wohl fühlen
würde.
Trotz allem haben wir die große Hoffnung, dass es dem liebenswerten Mädchen gelingt, einen Menschen von sich zu
überzeugen. Sie gehört zu den Hunden, die ihre Menschen sehr glücklich machen und mit unglaublich viel Liebe und
Anhänglichkeit das zurück geben, was man ihnen entgegen bringt. Vielleicht gibt es ja irgendwo diesen Menschen mit dem
großen Herz, der ihr sich ihrer annimmt. Und das wieder gut macht, was andere Menschen lange Jahre an ihr verbrochen haben.
Lassen Sie Graziella nicht im Tierheim sterben – das hat sie nicht verdient!
Februar 2012:
Graziella darf sich künftig über Pakete von Martina Bradford und Marina Winterberg freuen.
Familie Hantschmann und Martina Bradford greifen ihr zudem finanziell unter die Pfoten.
Januar 2013:
Auch Sybille van Velzen ist nun 'Paket-Patin' für Graziella.
Sie wird es zu schätzen wissen!