Monas Schicksal ist eins von denen, an die man immer mit großer Trauer zurückdenkt. Und das nicht,
weil es besonders grausam war oder besonderes Aufsehen erregend. Es macht einen traurig, weil es so besonders
hoffnungslos war.
Sie war noch eine sehr junge Hündin, als sie ins Canile kam, kaum richtig ausgewachsen. Eigentlich eine
sehr liebe, sanftmütige, ruhige Seele. Von Anfang an war sie relativ scheu, aber damals machte sie noch
Anstalten, auf den Menschen zuzugehen, Kontakt zu suchen, Annäherungen der Zweibeiner zuzulassen. Damals
hätte man noch etwas für sie tun können. Wenn die Zeit dafür da gewesen wäre. Wenn
sich jemand gefunden hätte, der sich ihrer annahm. Wenn sie ein Zuhause und eigene Menschen bekommen
hätte.
Aber Mona gehörte zu den Hunden, an denen man vorbei guckt. Schwarz-braun, leicht struppig, groß,
scheu und etwas abweisend ... in Italien würde niemand auf die Idee kommen, sich mit solch einem Hund
zu beschäftigen. Also blieb sie in ihrem Gehege und durch die mangelnde Ansprache wurde sie im Laufe
der Jahre
immer zurückhaltender, vorsichtiger, skeptischer. Irgendwann war der Zeitpunkt erreicht, von dem an
sie so gut wie niemanden mehr an sich heran ließ.
Als wir Deutschen sie kennen lernten, hatte sie schon alle Brücken zwischen sich und den Menschen
abgebrochen. Wann immer wir an ihr Gehege kamen, sprang sie auf die Hütte in der hintersten Ecke und
schaute von dort oben leicht geduckt und mit Vorsicht in den Augen zu uns herüber: "Bleibt bitte
weg - ihr macht mir Angst!" schien sie zu sagen. Dabei konnte sie einen so schöne, ruhigen und
tiefen Blick in ihren Augen haben, wenn man ihre Distanz respektierte und sie sich sicher fühlte.
Niemals war sie böse, niemals hat sie sich gegen Menschen aufgelehnt. Ihre Seele war nur so
verkümmert, dass sie keine Möglichkeit mehr hatte, aus diesem lebenslangen Trauma wieder
aufzutauchen.
Einen Einzigen gab es, der sich ihrer angenommen, der sich - auf seine Art - um sie gekümmert hat:
Zorro, unsere große Seele. Die beiden
haben lange Jahre den Zwinger miteinander geteilt und auch wenn Zorro sich nicht wirklich um Mona bemüht
hat, so war er für sie doch der Fels in der Brandung, hinter dem sie sich verstecken konnte, durch den
sie sich etwas sicherer fühlte.
Und einmal hat er ihr vermutlich sogar das Leben gerettet, das mag im Sommer 2006 gewesen sein. Mona und er
liefen im Freilauf, um sich die Beine zu vertreten, als einer der Volontäre einen bösen Fehler
machte und Ira aus ihrem Gehege entwischen ließ. Die alte Kampfhündin stürzte sich sofort
und ohne Vorwarnung auf Mona, die kaum wusste, wie ihr geschah. Obwohl Mona wesentlich größer
war, hatte sie keine Chance gegen die erprobte Kampfmaschine und lag in Sekundenschnelle unter der mit
Mordlust in den Augen auf ihr herumwütenden Ira. Eigentlich wäre das ihr Todesurteil gewesen, wenn
sich Zorro nicht auf die beiden gestürzt und Ira wütend von Mona heruntergebissen hätte. Ira
und Zorro konnten nur mit Eisenstangen wieder voneinander getrennt werden, so sehr hatten sie sich in einander
verbissen. Und es dauerte eine Weile, bis alle Wunden wieder verheilt waren, die sich die drei Hunde bei dem
Vorfall zugefügt hatten. Aber ohne Zorros Einsatz hätte Mona diesen Tag nicht überlebt.
Als wir Zorro Anfang 2008 nach Deutschland holen konnten, blieb Mona allein zurück. Sie wurde zwar mit
dem alten, gutmütigen Pippo zusammen in ein Gehege gesetzt, aber irgendwie fing sie danach an, mit dem
Leben abzuschließen. Eines Morgens im Oktober konnte sie nicht mehr aufstehen. Röntgenaufnahmen
zeigten, dass zwei Nerven der Rückenwirbel abgeklemmt waren, eine Operation war nicht mehr möglich.
Einige Tage kämpfte Charlotte noch um ihr Leben, um ihre Genesung. Als klar wurde, dass es keine Heilung
für Mona geben würde, musste unsere Tierärztin sie einschläfern, um sie von ihrem Leiden
zu erlösen.
Monas Schicksal macht uns so traurig, weil sie ihr gesamtes Leben gefangen wir in Angst vor den Menschen, die
sie umgaben. Und das nicht, weil ihr irgend jemand etwas Böses angetan hatte. Ihr fehlte nur die Liebe
und Ansprache eines Menschen, als sie jung war, in einer Zeit, in der Welpen ihre ersten Kontakte knüpfen,
soziale Bindungen lernen, den Menschen als Freund erkennen. Damals hat sich vermutlich niemand jemals um sie
gekümmert. Und als sie zu uns kam, war es zu spät. Ihr Leben bestand aus Einsamkeit, Vorsicht,
Hoffnungslosigkeit. Ihren Körper konnten wir über all die Jahre erhalten, aber niemand konnte etwas
für ihre Seele tun. Ein trostloses Leben, geboren aus der Verantwortungslosigkeit eines Menschen, der
Mona zwar zur Welt kommen ließ, sie dann aber wegwarf wie ein Stück Abfall.
Leb wohl, Mona. Wir trauern nicht um deinen Tod, der war Erlösung. Wir trauern nur um dein vergeudetes
Leben. Hoffentlich bist du jetzt glücklicher.
Mona starb am 29. Oktober 2008